Stoppt Partydiskussionen! Mehr Sachverstand bei Prognosen
Stoppt Partydiskussionen! Mehr Sachverstand bei Prognosen
Das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen erfuhr im Februar erneut ein großes Medienecho. Die Berichterstattung war, anders als vom ZIA geplant, wie schon im letzten Jahr von der Frage geleitet: „Ist die Party (auf dem Wohnungsmarkt) bald vorbei"? Hier unsere Argumente, die etwas mehr Sachverstand in die Diskussion bringen wollen.
In der gesellschaftlichen Debatte in Deutschlands jenseits der Immobilien-Fachmedien dreht sich weiter alles ums Wohnen, obwohl auch bei den Wirtschaftsimmobilien Aufmerksamkeit geboten wäre. Nicht nur unsere Autoren des Frühjahrsgutachtens 2018, Ralf Fröba, Tobias Kassner, Dierk Freitag und Martin Steiniger, die zu Büros, Logistik und Leichtindustrie sowie Hotels geschrieben haben, wundern sich also. Denn aktuell mehren sich die Anzeichen, dass gerade bei Wirtschaftsimmobilien volks- und regionalwirtschaftlicher Schaden erwächst. Nicht überall dämpft eine ausgewogene Marktbalance die Preisentwicklung, und nicht überall ist die Finanzierung in gebotenem Maße solide (siehe Chart des Monats März). Aber das ist ein eigenes Thema, dazu ein andermal mehr.
bulwiengesa-Position
Wie bereits im vergangenen Jahr haben uns erneut einige Kunden angesichts der populistischen Negativszenarien aus dem Kreise der Immobilienweisen gefragt, welche Position bulwiengesa zu den empirica-Prognosen aus dem Frühjahrsgutachten 2018 bezieht.
Unsere fünf wichtigsten Argumente haben wir hier zusammengefasst:
1 empirica zieht sich darauf zurück, dass „die Party nun in einem Zeitraum von fünf Jahren vorbei ist“.
Das ist aus Sicht von bulwiengesa eine durchsichtige und zugleich unpräzise Ergänzung angesichts des Knalls, den es letztes Jahr gab.
2 empirica verweist auf rückläufigen Zuzug in die großen deutschen Städte vor allem von jungen Deutschen.
Das ist nach Daten von bulwiengesa nicht ganz falsch, aber nur bedingt eine großartige „Trendwende". Außerdem beruht etwa der vielbeschworene sogenannte Einwohnerrückgang in München 2017 aus einem vorangegangenen statistischen Fehler. Mehr Information unter sueddeutsche.de.
3 empirica schreibt von stürmischen Entwicklungen (Wachstum) beim Neubau in den deutschen A-Städten.
Das ist erwiesenermaßen falsch. Laut der bulwiengesa-Projektentwicklerstudie, die gerade finalisiert und im April 2018 veröffentlicht wird, wird eklatant weniger gebaut. Dies hat durchaus politische Brisanz. Auch die Baugenehmigungen im deutschen Wohnungsbau gehen zurück, wie das Statistische Bundesamt schreibt.
4 empirica baut seine Prognosemodelle offensichtlich allein auf Daten aus der Einwohner-und Bautätigkeitsstatistik auf, und zwar auf der jeweils gesamtstädtischen Ebene.
Hieraus leitet bulwiengesa deutliche methodische Defizite ab und verweist auf die umfassende wissenschaftliche Literatur zu immobilienwirtschaftlichen Prognosemodellen, die ökonomische und Finanzmarkt-Faktoren als zentrale Größen in einem möglichen „Crash-Szenario" sehen.
5 empirica stellt einige Städte jenseits der großen Sieben als „Gewinner der kommenden Jahre“ vor, die einen anhaltenden Preis- und Mietanstieg verzeichnen werden.
Hierzu verweist bulwiengesa auf vergangene Wohnungsmarktzyklen in Deutschland, in denen auch Einwohnerzuwachs nicht vor Wertverlusten bewahren konnte.
Wichtige Debatte um Risiken
Allerdings sind wir mit einer zu lauten öffentlichen Kritik an dem Vorgehen von empirica zurückhaltend, weil natürlich klar ist, dass das aktuell hohe Preis- und Mietniveau auch Risiken birgt. Insofern ist eine öffentliche Debatte zu dem Thema durchaus begrüßenswert. Und im Journalismus gilt bekanntlich: Schlechte Nachrichten werden besser gehört als gute.
Auch unsere Prognosen für die marktüblichen Preise neuer Eigentumswohnungen drehen in den kommenden Jahren auf einen leichten, aber spürbaren Preisrückgang. Diese Prognosen werden zumeist im Portfoliomanagement berücksichtigt und sind als bedingte Prognosen in besonderer Weise getragen von einem erwarteten leichten Zinsanstieg. In der Beurteilung von neuen Wohnungsbauprojekten sind die individuellen Analysen von bulwiengesa dagegen deutlich differenzierter. Selbst in den riskantesten Märkten ist hier jedoch kein Preisrückgang von 30 % oder mehr, wie er von empirica prognostiziert wird, als Prognose sachlich gerechtfertigt.
Ansprechpartner: Andreas Schulten, Vorstand bulwiengesa, schulten [at] bulwiengesa.de