Erst Kredit-, dann Immobilienblase? Warum die Antwort immer noch „Nein“ ist
Erst Kredit-, dann Immobilienblase? Warum die Antwort immer noch „Nein“ ist
Wer hätte vor rund einer Dekade gedacht, dass die aktuelle Hausse am Wohnimmobilienmarkt so lange läuft? 13 Jahre in Folge weist der bulwiengesa Immobilienindex nominales Wachstum auf – zugleich wachsen verstärkt Zweifel, ob die Rallye weitergeht. Die Angst vor einer Immobilienblase lebt.
Die Geschichte der Immobilienblasen reicht bis in die Antike zurück: Ca. 750 Jahre v. Chr. lösten schuldenfinanzierte Immobilien in der Provinz Asia, dem heutigen Anatolien, einen rasanten Preisanstieg aus. Der Trick von König Midas, den Metallgehalt der Münzen zu reduzieren und damit die Märkte gleichsam mit Geld zu fluten, befeuerte, wie man sich denken kann, diese Entwicklung. Auslöser des Booms war der gefühlte Wohlstand – solange bis der Münzbetrug publik wurde und die Blase platzte. Kritiker am heutigen Kurs der EZB erkennen Ähnlichkeiten zu damals: Sie fürchten, dass die extrem expansive Geldpolitik, verbunden mit historisch niedrigen Zinsen, früher oder später eine Immobilienblase hierzulande nährt.
Positive Signale durch gute Fundamentaldaten
Die Gefahr durch die derzeitige politische Unsicherheit schlägt sich noch nicht auf die weiterhin (sehr) gute Verfassung der heimischen (Immobilien-)Wirtschaft nieder. Kurzum: Große Preiskorrekturen wird es in naher Zukunft auf dem Immobilienmarkt nicht geben. Denn die ökonomischen Rahmenbedingungen bleiben günstig. Finanzmärkte wie auch die Realwirtschaft senden aus Sicht der Immobilienbranche positive Signale, die wiederum das hohe Transaktionsvolumen erklären.
Die Gründe für die anhaltend gute Nachfrage nach Wohnungen sind bekannt: Der Urbanisierungstrend zieht die Menschen in die Städte, der Bedarf nach neuem Wohnraum liegt gerade dort weit über den Volumina, die die Bauindustrie jährlich fertigstellen kann. Die seit Jahren anhaltende hohe Preisdynamik spiegelt größtenteils die – relativ zum Angebot – nach wie vor hohe Nachfrage (auch mangels Anlagealternativen) wider. Das vorhandene Angebot nimmt zwar durch Projektentwicklungen fast überall zu, jedoch kann es als nicht ausreichend klassifiziert werden. Der Markt ist stabil, eine Blase unwahrscheinlich.
Blackbox Zinsentwicklung – droht eine Kreditblase?
Steigen die Zinsen oder dreht sich die dynamische Preisentwicklung um, bestehen Risiken bei jeder Geldanlage. Vor allem dann, wenn sich die Finanzierungen als nicht nachhaltig erweisen, würden bestehende Kreditsicherheiten an Wert verlieren. Dem Investor muss aktuell bewusst sein, dass der Wachstumspfad nicht an der Talsohle beginnt, sondern das Gipfelkreuz bereits sichtbar ist. Somit steigt auch das Risiko von Fehlinvestitionen an: Wenn die Zinsen nahe dem Nullpunkt liegen, fehlt ein wichtiges Selektionskriterium, welche Projekte gut und welche weniger gut sind. Zinsen sind in einer Volkswirtschaft Preise, die die gesamte Palette des wirtschaftlichen Handelns betreffen. Wenn Preise falsch gesetzt werden, führt das zwangsläufig zu Ungleichgewichten. Neben den geldpolitisch erwünschten Effekten kann die quantitative Lockerung auch mit Risiken und unerwünschten Nebenwirkungen einhergehen. Der sogenannte Risikoneigungskanal beschreibt, wie eine expansive Ausrichtung der Geldpolitik einen Anreiz schafft, höhere Risiken einzugehen: Einerseits über die Ausweitung der Kreditvergabe, andererseits durch die in der Summe risikoreichere Kreditvergabe durch die Banken. Werden insgesamt „zu viele“ riskante Projekte finanziert, kann dies die Wahrscheinlichkeit für eine zukünftige Finanzkrise erhöhen.
Zwei Gefahrenpunkte: stärkere und risikoreichere Kreditvergabe
Durch die höhere und insgesamt risikoreichere Kreditvergabe kann erstens die „Suche nach Rendite“ die Risikoneigung der Marktakteure erhöhen. Eine expansive Geldpolitik führt in der Regel zu einer Verringerung nominaler Renditen. Jene Akteure, deren langfristige Verbindlichkeiten aufgrund von Verträgen oder gesetzlichen Regelungen nominal fixiert sind, neigen eventuell dazu, riskantere Anlageentscheidungen zu treffen, um mit einer damit einhergehenden höheren erwarteten Rendite ihre Ertragsziele zu erreichen. Übertragen auf den Immobilienmarkt kann dies Ausweichbewegungen von zentralen in dezentrale Lagen implizieren.
Zweitens bewirkt die expansive Geldpolitik in der Regel steigende Vermögenspreise, die über den Bilanzkanal zu einer Ausweitung der Kreditvergabe bei Banken führen – vereinfacht gesagt: Ist mehr Geld im Umlauf, rechnen wir uns durch höhere Preise reicher und vergeben mehr Kredite. Dies kann sich letztlich in gesamtwirtschaftlich höheren Einkommensströmen niederschlagen. Eine derartig induzierte Belebung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität dürfte auch die Risikowahrnehmung von Finanzmarktakteuren beeinflussen. So kalkulieren diese bei steigenden Vermögenspreisen und Einkommensströmen mit sinkenden Ausfallwahrscheinlichkeiten und Vermögenspreisvolatilitäten; das könnte wiederum ihre Bereitschaft zur Übernahme zusätzlicher Risiken fördern. Die Entwöhnung von zu günstigen (aber verzerrten) Rahmenbedingung führt zu Problemen, wenn sich das Marktumfeld langsam auf Normalzustand einpendelt: Immobilienfinanzierungen erweisen sich dann als nicht nachhaltig, die bestehende Kreditsicherheiten verlieren an Wert.
Wann es wirklich kritisch wird
Preisübertreibungen können dann die Finanzstabilität gefährden, wenn die Marktteilnehmer derartige Risiken bei der Vergabe von Krediten systematisch unterschätzen und übermäßig positive Erwartungen über künftige Entwicklungen der Schuldentragfähigkeit bilden. Zwar haben die Wohnimmobilienpreise stetig zugenommen, jedoch ist die Immobilienkreditvergabe weit weniger dynamisch gewachsen. Empirische Evidenz weist zudem nicht auf eine Lockerung der Kreditvergabestandards hin – auf unmittelbare Finanzstabilitätsrisiken kann somit nicht geschlossen werden.
Wenn weltweit das Ende der Nullzinsen eingeläutet wird, kann sich die EZB nicht abseits stellen. Allmählich werden sich die Verzerrungen an den Finanzmärkten Stück für Stück zurückbilden. Doch nicht erst dann, sondern bereits heute sollte das Bewusstsein, Immobilien auch bei nachlassenden Investmentmärkten wieder angemessen veräußern zu können, in die eigenen Entscheidungen einfließen.
Hinweis: Der Text ist eine überarbeitete Fassung eines Artikels für die FWW, der Zeitschrift der mittelständischen Immobilienwirtschaft 03/2018
Ansprechpartner: Martin Steininger, Chefvolkswirt bulwiengesa, steininger [at] bulwiengesa.de