Juli: Kommunen bleiben das Sorgenkind

Juli: Kommunen bleiben das Sorgenkind


Chart des Monats
01.07.2019 Autor/en: Martin Steininger

Die Lücke bei Bau-Investitionen – nicht nur in Gebäude – ist vor allem in den deutschen Kommunen riesig. Seit 2002 ist der Saldo negativ. Während die Politik private Investoren zum Wohnungsbau drängt, mehren sich die Zweifel, dass Städte und Gemeinden für diese Aufgabe hinreichende Finanzierungskapazitäten haben.

Leistungsfähige Infrastrukturen sind zentrale Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit und die Wachstumspotenziale eines Landes. Das aktuelle Chart des Statistischen Bundesamts zeigt eindrucksvoll: Die staatliche Nettoinvestitionstätigkeit in Bauten war unmittelbar nach der Wiedervereinigung sehr rege; mit Beginn des neuen Jahrtausends ist sie seitdem deutlich zurückgegangen, teilweise sogar in den negativen Bereich gerutscht. Vor allem die Kommunen konnten ihren Kapitalstock nicht erweitern bzw. für dessen Erhalt sorgen. Seit 2002 waren deren Investitionen in Bauten per Saldo negativ. Auch die jüngsten Zahlen zeigen kaum Besserung: Im Jahr 2018 investierten die deutschen Städte und Gemeinden gut 4,5 Mrd. Euro weniger, als sie Abschreibungen auf ihren Kapitalstock vornahmen. Somit bleiben die Kommunen das Sorgenkind unter den deutschen Gebietskörperschaften, während die Nettoanlageinvestitionen in Bauten bei Bund und Ländern seit Jahren um die Nulllinie pendeln.

Sparsamkeit ist nicht nur für die „schwäbische Hausfrau“ eine Tugend – jedoch nur unter der Voraussetzung, dass an der richtigen Stelle gespart wird. Besonders in Deutschland klafft inzwischen eine Investitionslücke, die künftiges Wachstum gefährdet und in den kommenden Jahren nur mit großen Milliardenbeträgen von Staat und Unternehmen geschlossen werden könnte. Der Internationale Währungsfonds (IWF) wird nicht müde jährlich zu wiederholen, wie wichtig es sei, dass in Deutschland mehr Geld ausgegeben wird.

Zwar werden in Deutschland so viele Wohnungen gebaut wie seit Jahren nicht mehr. Gebraucht aber werden deutlich mehr. In diesem Punkt sind sich zwar alle Experten und auch die Politik weitgehend einig. Die Angebotsentwicklung wird vermutlich auch in Zukunft mit der Wohnungsnachfrage nicht Schritt halten können. Preisgünstiger Wohnraum ist in den meisten Ballungsräumen und Universitätsstädten hierzulande nach wie vor Mangelware. Die Bundesregierung hat deshalb im Koalitionsvertrag durch die „Wohnraumoffensive“ vereinbart, bis 2021 1,5 Mio. neue Wohnungen zu schaffen und Mietpreissteigerungen auf angespannten Wohnungsmärkten zu begrenzen. Private Investoren werden von der Politik zum Wohnungsbau gedrängt. Jedoch könnten auch die Gebietskörperschaften bei dem seit Jahren im Bund bestehenden Finanzierungsüberschuss ihren Teil leisten – sind alle dazu in der Lage? Angesichts der kommunalen Investitionslücke in Bauten mehren sich die Zweifel, dass Städte und Gemeinden für diese Aufgabe hinreichende Finanzierungskapazitäten haben. (Siehe auch Immobilien Zeitung vom 27.6.19: "Sozialwohnungen: Bayern buttert, Sachsen spart").

Die Wohnungspolitik ist und bleibt ein zentraler Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge. Jedoch liegt die Verantwortung nicht allein bei den Kommunen. Die Städte und Gemeinden wenden zwar beträchtliche Mittel auf, um die Versorgung ihrer Bürger mit bezahlbarem Wohnraum sicherzustellen. Alleine können die Kommunen diese Aufgabe nicht stemmen. Bund und Länder müssen wesentliche Beiträge zur Sicherstellung der finanziellen Handlungsspielräume für Städte und Gemeinden leisten. Ein spürbarer Erfolg kann nur dann verzeichnet werden, wenn alle Akteure auf dem Wohnungsmarkt ihre Kräfte bündeln. Kooperation statt Konfrontation ist zur Bewältigung dieser Mammutaufgabe unverzichtbar – das Schwarze-Peter-Spiel zwischen privaten und staatlichen Investoren bzw. innerhalb der Gebietskörperschaften führt nur zu dem Ergebnis, dass die Schließung der Lücke zwischen Angebot und Nachfrage auf dem hiesigen Wohnungsmarkt erneut verschoben wird – entweder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, oder die demografische Falle löst letztendlich die Wohnungsnot. Keine schönen Aussichten für ein (eigentlich) wohlhabendes Land.

 

Ansprechpartner: Martin Steininger, Chefvolkswirt bei bulwiengesa, steininger [at] bulwiengesa.de