Stimmung der Immobilienfinanzierer stürzt auf Allzeittief

Stimmung der Immobilienfinanzierer stürzt auf Allzeittief


Hintergrund
27.04.2020 Autor/en: bulwiengesa

Das BF.Quartalsbarometer gibt die Stimmung der gewerblichen Immobilienfinanzierer in Deutschland wider. Diese ist gerade historisch schlecht, vor allem aufgrund der sehr ernüchterten Einschätzung des Finanzierungsmarktes. Nur wenige Institute scheinen in der Lage zu sein, sowohl mit dem klassischem Immobilienrisiko als auch mit der aktuellen Unsicherheit umzugehen. Dennoch: Die aktuelle Stimmung bleibt lediglich eine Momentaufnahme.

Die Stimmung unter den deutschen Immobilienfinanzierern erlebt im zweiten Quartal einen historischen Einbruch und fällt auf ein neues Allzeittief. Der Barometerwert stürzt von -3,81 Punkten im ersten Quartal 2020 auf -15,24 Punkte im zweiten Quartal 2020. Eine solch starke Bewegung hat es noch nie innerhalb eines Quartals gegeben. Die Corona-Krise und ihre Folgen haben zu einer signifikanten Verschlechterung bei allen wichtigen Parametern geführt. Der Quartalsbarometerwert wird aus verschiedenen Einzelwerten errechnet.

Alle Kassen leer? Zumindest geben die Befragten an, dass die Finanzierungsbereitschaft ihrer Institute gerade sehr eingeschränkt ist.

Ausschlaggebend für das Absacken der Stimmung ist unter anderem die allgemeine Einschätzung der Lage am Finanzierungsmarkt. 80 % der Befragten schätzen die Lage als restriktiver ein – gegenüber 8 % im Vorquartal. Auch die Entwicklung des Neugeschäfts wird von den Krisenfolgen dominiert. Mehr als die Hälfte der Institute (58 %: +46,3 pp) erwartet ein abnehmendes Neugeschäft. Der dritte wichtige Faktor, der sich maßgeblich verschlechtert hat, sind die Refinanzierungskosten. 83,3 % der Befragten gehen von steigenden Refinanzierungsaufschlägen aus. Zum Vergleich: Im letzten Quartal waren es noch 25 %.

Dabei ist die Stimmung unter den gewerblichen Immobilienfinanzierern bereits seit längerer Zeit in einem negativen Bereich, der mit einer eingeschränkten Finanzierungsbereitschaft beschrieben wird. Die Einschätzung steht hierbei nicht für eine geringe Verfügbarkeit von Geld im Markt, sondern ist mit dem steigenden Risiko des fortgeschrittenen Immobilienzyklus zu begründen. Was dem Barometerwert aktuell widerfährt, ist hingegen ein exogener Schock, ausgelöst durch die Covid-19-Pandemie. Sie führt offensichtlich zu erheblicher Unsicherheit bei den Finanzierungsexperten und lässt den Barometerwert herabstürzen.

BF.Quartalsbarometer Q2/2020. Quelle: BF.direkt und bulwiengesa
BF.Quartalsbarometer Q2/2020. Quelle: BF.direkt und bulwiengesa

Professor Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der IREBS, Universität Regensburg und wissenschaftlicher Berater des Quartalsbarometers, kommentiert: „Die Banken haben sich nicht aus der gewerblichen Immobilienfinanzierung verabschiedet. Allerdings sind zum einen gerade die Geschäftsbanken derzeit stark beansprucht, u.a. mit einer Flut von KfW-Förderanträgen. Zum anderen zeigt sich jetzt sehr deutlich, dass nur wenige Institute in der Lage sind, sowohl mit dem klassischem Immobilienrisiko als auch mit der aktuell hohen Unsicherheit umzugehen.“

Wie sich das Neugeschäft entwickelt

Auch die Stimmung beim Neugeschäft dreht sich. Aktuell gehen mit 58 % (+46,3 pp) über die Hälfte der Teilnehmer von einer insgesamt abnehmenden Neugeschäftsentwicklung aus, nachdem ein ähnlich großer Anteil von 56 % im vergangenen Quartal noch stagnierende Bedingungen (aktuell 25 %) sah. Immerhin 16,7 % (-15,3 pp) geben ein steigendes Geschäft an. Kreditvolumen zwischen 10 und 50 Mio. Euro stellen die wichtigsten Kreditgrößen dar und gewinnen mit +5,7 pp auf 41,7 % an Einfluss – zulasten der nächstgrößeren (50 bis 100 Mio. Euro: -3,0 pp) und kleineren Kategorie (<10 Mio. Euro: -2,7 pp). Darlehen größer als 100 Mio. Euro haben keine Bedeutung.

Welche Abteilung die Kreditentscheidungen durchsetzt

Die Entscheidung über die Kreditvergabe wird normalerweise mehrheitlich in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Neugeschäftsbereich und Risikoabteilung getroffen. Im letzten Quartal lag der Anteil der ausgewogenen Entscheidungen noch bei 68 %, sinkt aber aktuell auf 48 %.

Tendenzen und Verschiebungen sind auch in den übrigen Kategorien zu erkennen. Hier zeigt sich die angespannte Lage. Denn die Risikoabteilung wird nun deutlich stärker involviert und kommt in Summe der beiden Kategorien (eher und überwiegend von der Risikoabteilung beeinflusst) auf ebenfalls 48 % (+20,0 pp) der Expertenstimmen.

Die Neugeschäftsabteilung besitzt dagegen einen unverändert hohen Anteil von insgesamt lediglich 4 % (+/-0 pp).

Margen steigen und LTVs sowie LTCs sinken

Die Margen haben im zweiten Quartal einen deutlichen Sprung nach oben gemacht. Bei Bestandsfinanzierungen stiegen sie von 131 auf 147 Basispunkte und bei Finanzierungen von Projektentwicklungen von 220 auf 231 Basispunkte. Im Gegenzug sanken die Loan-to-Values (LTV) bei Bestandsfinanzierungen und Loan-to-Costs (LTC) bei der Finanzierung von Projektentwicklungen deutlich. Der durchschnittliche LTV sank auf 65,6 Prozent (Q1/2020: 69 Prozent) und der LTC auf 71,1 Prozent (Q1/2020: 73,4 Prozent).

Prof. Sebastian dazu: „Die Banken werden in der Krise vorsichtiger und senken ihre Beleihungsausläufe. Gleichzeitig lassen sie sich die gestiegenen Risiken in Form von höheren Margen vergüten. Für die Darlehensnehmer heißt das, dass Kredite unterm Strich teurer werden.“

 

Über das BF.Quartalsbarometer

Das BF.Quartalsbarometer misst quartalsweise die Stimmung unter den gewerblichen Immobilienfinanzierern in Deutschland. Das exklusive Panel, bestehend aus 120 Experten von kreditausreichenden Instituten wie u.a. Realkreditinstituten, Landesbanken und Sparkassen wird in jedem Quartal zur aktuellen Lage am Markt für gewerbliche Immobilienfinanzierungen befragt.

Sind Sie Immobilienfinanzierer und möchten am BF.Quartalsbarometer teilnehmen? Gerne nehmen wir Sie auf. Schreiben Sie einfach eine kurze E-Mail an p.becker [at] bulwiengesa.de. Wir melden uns dann in Kürze bei Ihnen.

Den aktuellen Quartalsbericht können Sie gerne herunterladen.

Ansprechpartner: Peer Becker, Projektleiter Quartalsbarometer, p.becker [at] bulwiengesa.de