"Außerhalb Berlins schüttelt man den Kopf"
"Außerhalb Berlins schüttelt man den Kopf"
Der Berliner Senat hat den Mietendeckel beschlossen. Sven Carstensen spricht im Interview mit Gabriela Keller von der Berliner Zeitung über den Rückzug von Investoren und gesetzliche Unsicherheit.
Berliner Zeitung: Sie betreuen Pensionsfonds, Banken, Konzerne, die nach Anlagemöglichkeiten in Berlin suchen. Inwieweit sind für diese Investoren die steigenden Mieten ausschlaggebend?
Sven Carstensen: Wir haben zum einen rapide steigende Mieten, zum anderen noch viel stärker steigende Kaufpreise. Investoren mögen vor allem eins: Sicherheit. Das heißt, man möchte eine erkleckliche Rendite haben, die aber wegen der hohen Kaufpreise geringer geworden ist. Viele sagen: Ich akzeptiere eine geringere Rendite, wenn ich die nächsten zehn, 15 Jahre stabile Verhältnisse habe.
Und wie verändert der geplante Mietendeckel diese Erwägungen?
Man darf nicht vergessen, dass die meisten Wohnungen in Händen von Privatleuten sind, die Wohnungen als Kapitalanlage gekauft haben und die jetzt stark verunsichert sind. Dann gibt es Investoren, die im Bereich Projektentwicklung und Neubau tätig werden wollen. Die sind vom Mietendeckel nicht unmittelbar betroffen, weil der ja für Neubauwohnungen nicht gilt. Aber da sehen wir auch eine Verunsicherung in der Frage: Wenn man jetzt geltendes Recht abwandelt – wie wird es in fünf Jahren sein? Dann ist meine Neubauwohnung ja auch Bestand – falle ich denn auch darunter?
Hat diese Verunsicherung konkrete Auswirkungen?
Wir kennen, ohne Namen zu nennen, das eine oder andere Projekt, das zurückgestellt wurde, weil gesagt wird: Wir warten lieber erst mal ab. Im Bereich Preise und Nachfrage sehen wir noch nichts, aber dazu sind Statistiken auch zu träge.
Wie schätzen Sie den politischen Vorstoß an sich ein?
Das Instrument des Mietendeckels hilft nicht, die Wohnungsnot zu lindern. Seit Jahren ist das Mantra: Wir müssen Wohnungen schaffen. Es hilft nichts, wenn wir da weitere Regularien einziehen, die die Wirtschaftlichkeit von Immobilien beeinträchtigen. Es gibt ja genug namhafte Anwälte, die sagen: Das ist verfassungsrechtlich gar nicht durchsetzbar. Wir werden jetzt eine Zeit lang in gesetzlicher Unsicherheit leben.
Was bedeutet das für den Wohnungsmarkt?
Das Mietendeckel-Thema wird dazu führen, dass die Investitionen in Wohnungen weniger werden, vielleicht auch notwendige Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zurückgestellt werden. Zum anderen wird es den einen oder anderen privaten Kapitalanleger vor den Ruin stellen. Und einige werden versuchen, Schlupflöcher aufzutun.
Frau Lompscher hat gesagt, der Mietendeckel soll ein Zeichen setzen: Dass es so nicht mehr weitergeht. Kommt das bei den Investoren an?
Sagen wir so: Außerhalb von Berlin schüttelt man verwundert den Kopf. Wahrgenommen wird das Ganze als Zeichen, dass man sich überlegen muss, ob man überhaupt in Berlin bauen möchte. Wahrgenommen wird, dass Berlin nicht mehr als investitionsfreundlicher Standort gelten kann.
Sie erstellen bei bulwiengesa Risiko-Rendite-Analysen. Inwieweit verändert der Mietendeckel das Spiel?
Es ist ja eigentlich etwas, was man nur im Ausland macht, wenn man etwa in Russland investiert – dass man sich die politischen Risiken anschaut. Jetzt werden wir immer mehr gefragt, wie das rechtliche Umfeld sich hier in Berlin verändert, und ob der Investor mit Rechtssicherheit zu Werke gehen kann. Da haben wir schon das eine oder andere Fragezeichen bei den Investoren. Das sind Dinge, worauf man hinweisen muss.
Hinweis: Das Interview von Gabriela Keller ist am 18.10.2019 online erschienen.
Ansprechpartner: Sven Carstensen, Niederlassungsleiter Berlin und Geschäftsführer bulwiengesa appraisal GmbH, carstensen [at] bulwiengesa.de