„Im Prinzip, ja“
„Im Prinzip, ja“
Sind Wohnimmobilien in der Krise wirklich so widerstandsfähig wie oft behauptet? Diese Einschätzung sei widerlegbar, sagt Andreas Schulten im Interview mit Wealthcap – aber auch, dass Wohnimmobilien am richtigen Mikrostandort in der richtigen Stadt das Investment der Wahl sind.
Wealthcap: Wohnimmobilien gelten als besonders krisenfest. Ist diese Einschätzung mit Blick auf vergangene Krisen belegbar?
Andreas Schulten: Da muss ich ein bisschen provozieren und widersprechen – nein, diese Einschätzung ist widerlegbar. So hat die deutsche Krise nach der Wiedervereinigung auch Wohnimmobilien in Mitleidenschaft gezogen. Erinnern Sie sich noch an 100.000 leerstehende Wohnungen in Berlin? Das war 2004. Damals sagte Hans-Werner Sinn voraus, dass aus der roten Laterne Europas, nämlich Deutschland, nie wieder etwas werden kann. Zu diesem Zeitpunkt gab es in den USA, in Großbritannien, Spanien, Skandinavien und in anderen Ländern eine Wohnimmobilien-Hausse. Nur in Deutschland und Japan herrschte Ebbe, was die Wertentwicklung betraf.
Krisenfest sind Wohnimmobilien also nur, wenn der volkswirtschaftliche Rahmen stimmt. Und dafür haben erst Gerhard Schröder und dann Angela Merkel gesorgt. Im Vergleich zu den meisten Wirtschaftsimmobilien allerdings kann man schon sagen, dass Wohnimmobilien „krisenfester“ sind.
Wie sieht es in der aktuellen Situation rund um COVID-19 aus?
COVID-19 ist ein Phänomen. Man glaubt vielerorts nicht so richtig dran, ist mein Eindruck. Selbst dann, wenn man kein Verschwörungstheoretiker ist. Die Aktienmärkte haben sich weitgehend erholt, die Wohnungspreise und -mieten sind unverändert zum Jahresbeginn und der deutsche Staat scheint jede Rechnung mit neuen Schulden begleichen zu können.
Allerdings muss man in den kommenden Monaten ein Auge auf das Insolvenzgeschehen richten, sowie auf die weiteren Staatshilfen in diesem Kontext. Eventuell könnte hier noch – verglichen mit heute – eine gewisse Katerstimmung aufkommen, die dann auch die Immobilienmärkte betrifft.
Profitieren von der aktuellen Resilienz vor allem die Top 7 oder gilt das Argument auch für B-, C- und D-Standorte?
Wer immer nur auf die A-Städte schaut, macht es sich einfach. Dort ist das Marktvolumen einfach viel größer. Das macht sie für institutionelle Investoren interessant. Aber das Rendite-Risiko-Verhältnis – und darauf kommt es ja an – ist auch an anderen Standorten interessant. So sind beispielsweise herausragende Universitätsstandorte in den vergangenen Jahren zunehmend interessanter geworden. Letztlich ist auch eine kluge Politik immer von Vorteil. Schauen Sie beispielsweise allein auf die Entwicklung in Städten wie Ingolstadt oder Offenbach.
Gilt das auch für alle Mikrolagen innerhalb einer Stadt? Oder gibt es einen bestimmten Typus an Mikrolagen, der sich als besonders resilient erweisen wird?
Dieser Punkt ist durch die Corona-Pandemie tatsächlich noch deutlicher geworden: Es sind urbane Quartiere in den Stadtteilen, die sich immobilienwirtschaftlich als resilient erwiesen haben. Manche schieben es auf die Mischung, andere auf die historisch gewachsene Struktur. Egal, wie man es betrachtet, aber am stärksten gelitten haben vor allem innerstädtische Monostrukturen, die übermäßig hohe Anteile an Shopping, Tourismus und Gastronomie aufweisen. Diese werden voraussichtlich nur langsam zu neuen Funktionen finden.
Werden sich die Portfolio-Allokationen langfristig zugunsten von Wohnen ändern? Welche langfristigen Folgen hätte das für den Markt und Investoren?
Sicherlich wird die Assetklasse Wohnen für viele Investoren noch attraktiver als bisher. Aber man muss auch bedenken, welche Preisniveaus am Investmentmarkt üblich geworden sind. Das macht Wohnen auch ein bisschen „unsexy“. Letztlich muss man hier auch die laufenden Kosten bedenken. Im Hinblick auf klimagerechte Bestände oder soziale Stabilität kann eine geringe Rendite auch schnell ein (leicht) negatives Vorzeichen bekommen.
Bei bulwiengesa versuchen wir in Arbeitsgruppen gerade, den riesigen Wohnungsmarkt stärker zu clustern. Warum soll man bei den vergleichsweise wenigen deutschen Einzelhandelsimmobilien in Passagen, High Street, Fachmarktzentren, Supermärkte etc. unterscheiden und bei Wohnimmobilien immer nur von „Wohnen“ sprechen? Es ist Zeit für eine klare Differenzierung nach Wohnen auf Zeit, Sozialwohnungen, Familienwohnungen, Seniorenwohnungen etc. Dann ergeben sich schon deutliche Unterschiede für die künftige Portfolio-Allokation.
Wohnimmobilien empfehlen sich als defensives Investment. Wie sieht es mit der nächsten Aufschwungphase aus?
Um es im Jargon des ESC zu sagen: Ten points! Am richtigen Mikrostandort in der richtigen Stadt ist es das Immobilieninvestment der Wahl.
Hinweis: Das Interview wurde geführt für den Blog unseres Kunden Wealthcap.
Ansprechpartner: Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter bei bulwiengesa, schulten@bulwiengesa.de