"Viele Entscheidungen abseits ausgetretener Pfade erfordern schon Mut"

"Viele Entscheidungen abseits ausgetretener Pfade erfordern schon Mut"


Hintergrund Wohnen
22.02.2019 Autor/en: Andreas Schulten

Andreas Schulten hat mit unserem Kunden Jakob Mähren, dem Gründer des Wohnungsunternehmens Mähren AG, über schwierige Investitionsbedingungen in Berlin gesprochen und welche strategischen Konsequenzen er daraus zieht.

 

Andreas Schulten: Als Investor und auch privat sind Sie ein Berliner „Gewächs“. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?

Jakob Mähren: Berlin ist unser Heimatmarkt: 2002, kurz nach meinem Abitur, investierte ich 40.000 Euro, die ich mit Daytradings verdient hatte. Ich kaufte eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, sanierte sie eigenhändig und verkaufte sie mit Gewinn. Das war der Grundstock unseres heutigen Unternehmens. Lange Zeit haben wir uns nur auf den Ankauf von Berliner Mehrfamilienhäusern konzentriert. Doch inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen für Bestandsimmobilien deutlich verschlechtert. 2018 wurden weniger Mehrfamilienhäuser gehandelt, das aber zu höheren Preisen.

In Berlin gelten die Mietpreisbremse, enge Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen, zudem wurde die Sanierungsumlage gesenkt.

Das meine ich. Berlin macht es Investoren gerade wirklich nicht leicht. Allein schon die von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ losgetretene Debatte sorgt für großes Misstrauen gegenüber der Berliner Politik. Einige Politiker stehen der Initiative und dem Enteignungsthema durchaus aufgeschlossen gegenüber. Die Außenwirkung auf Berlin als Top-Wohnungsmarkt ist verheerend und wir spüren bereits eine gewisse Verunsicherung.

Laut Forsa-Umfrage finden es 44 Prozent aller Berliner richtig, große Wohnungsunternehmen gegen Entschädigung zu enteignen. Und über das Vorkaufsrecht der Bezirke in sogenannten Milieuschutzgebieten haben wir noch nicht einmal gesprochen ... Kurz, welche Konsequenzen ziehen Sie?

In den vergangenen Jahren haben wir die Strategie verändert und unseren Radius ständig erweitert. Bereits seit 2015 kaufen wir in den neuen Bundesländern, allen voran in Leipzig, Dresden, Magdeburg und Halle. Da waren wir vielen Investoren einen Schritt voraus, an die wir heute verkaufen. Seit Mitte 2018 investieren wir deutschlandweit auch in große, zusammenhängende Wohnanlagen in wachsenden Mittel- und Kleinstädten mit weniger als 100.000 Einwohnern. Selbst vor dem Ruhrpott machen wir nicht halt und haben bereits in Essen und Dortmund Miethäuser gekauft.

Ein Ausweg aus der strengen Mietgesetzgebung ist auch der Neubau.

Ja, und einige Grundstücke im Berliner Umland, in Königs Wusterhausen, Werder und Geltow haben wir schon erworben. Das wollen wir künftig verstärkt machen, um in Berlin und im Berliner Umland neu zu bauen. Denn viele Berliner ziehen wegen der günstigeren Mieten und Wohnungspreise ins Umland.

Magdeburg haben aber noch nicht so viele auf dem Schirm, oder?

Nein, noch hält sich die Konkurrenz dort in Grenzen. Ohne andere Investoren anlocken zu wollen, kann ich aber ganz klar sagen, dass sich die Ausweitung der Investitionen auf Städte wie Magdeburg, Leipzig und Dresden als richtig erwiesen hat. Wir haben schon früh in die zweite und dritte Reihe der großen ostdeutschen Städte investiert. Jetzt zum Beispiel auch in ein Portfolio in guter Lage in Frankfurt/Oder. Wenn man inmitten der scheinbar nicht endenden Boomphase auf erfolgreiche Investments zurückblickt, klingt das natürlich ganz einfach. Aber viele dieser Entscheidungen abseits ausgetretener Pfade erfordern schon Mut und eine gewisse Risikobereitschaft.

Dabei haben Sie sich sicher nicht nur auf Ihr Bauchgefühl verlassen. Welche Kriterien legen Sie an?

Eine positive demografische und wirtschaftliche Entwicklung der Städte ist wichtig. Aber daneben müssen der Mikrostandort und das Gebäude stimmen. Die Potenziale sind aber meist erst nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Objekt erkennbar.

Können Sie denn überhaupt noch Bestandsankäufe tätigen? Selbst in B-Städten wie Leipzig oder Dresden ist der Markt, naja, leergefegt. Oder die Objekte sind sehr teuer.

Wir haben ein sehr gutes Netzwerk und uns einen hervorragenden Ruf aufgebaut. Und wir sind schnell. Das ist nicht zu unterschätzen. Wir haben langjährige Bankkontakte. Dadurch können wir zu sehr guten Konditionen und dennoch mit großer Geschwindigkeit attraktive Finanzierungen aufnehmen. Tatsächlich schaffen wir es, innerhalb von wenigen Tagen einen Immobilienankauf von der ersten Prüfung bis zum notariellen Kaufvertragsabschluss durchzuführen.

Viele unserer klassischen Kunden errichten nun nicht mehr nur Wohnungen, sondern bauen auch Büros. Würden Sie auch das Wohnungssegment verlassen?

Als Beimischung in Quartieren oder in Wohn- und Geschäftshäusern machen wir das bereits. Gewerbliche Mietverträge sind gar nicht reglementiert, dafür ist meist die Mieterakquisition schwieriger. Bietet sich eine entsprechende Chance, würden wir auch in ein Büroprojekt investieren.

Unser Immobilienindex zeigt seit 14 Jahren steigende Immobilienpreise in Deutschland. Wie schätzen Sie die Entwicklung der Preise und Mieten und generell die Investitionsbedingungen ein?

Wo die Nachfrage stimmt, werden die Mieten und Preise weiter zulegen. Aber ich möchte noch einmal auf die Investitionsbedingungen in Berlin zurückkommen. Meines Erachtens wird das Thema Vorkaufsrecht, Sie haben es vorhin angesprochen, noch nicht stark genug von der Öffentlichkeit als problematisch wahrgenommen. Wir stecken viel Geld in die Ankaufsprüfung, bis zu fünf Prozent vom Kaufpreis. Wenn ein Makler involviert ist, dann noch mehr. Wenn immer die Befürchtung mitschwingt, dass am Ende die Stadt das Objekt kauft, überlegt man sich gut, ob man dieses Geld investiert. Wir sind ja nicht auf den schnellen Umschlag aus, sondern ein langfristig orientierter Investor. Momentan zählen mehr als 2.000 Einheiten zu unserem Bestand, der stetig wächst. Auch Objekte in problembehafteten Kiezen oder Leerstands- und Sanierungsobjekte prüfen wir. Bei sehr vielen unserer Objekte investieren wir erst einmal hohe Summen in die Sanierung. Das Risiko, dass der Markt sich vielleicht doch dreht, tragen wir – das nimmt uns die Politik ja auch nicht ab. Jeder weitere politische Eingriff sollte daher gut überlegt werden. Zumal dadurch keine einzige neue Wohnung entsteht, die zum langsameren Mietanstieg beiträgt.

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

 

Interview: Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter bulwiengesa, schulten [at] bulwiengesa.de