Der Beleihungswert – Stabilitätsanker oder Bremsklotz?

Der Beleihungswert – Stabilitätsanker oder Bremsklotz?


Hintergrund
15.03.2018 Autor/en: Sven Carstensen
Der Beleihungswert – Stabilitätsanker oder Bremsklotz?
Der Beleihungswert – Stabilitätsanker oder Bremsklotz?

Der Beleihungswert ist die Basis für die Sicherheit von Hypothekenpfandbriefen. Durch dieses Modell kam Deutschland bekanntlich mit heiler Haut durch die Finanzkrise. Doch die starren Grenzwerte reagieren nur unzureichend auf das Auseinanderdriften von Markt- und Beleihungswert. Oder doch nicht?

Der Pfandbrief hat sich in den vergangenen Jahren als Stabilitätsanker im deutschen Immobilienmarkt bewährt.  Selbst die Verwerfungen der Subprimekrise und die damit verbundene Lehmann-Pleite – für Viele der Lackmustest für die Sicherheit von Wertanlagen– konnte der Pfandbrief unbeschadet überstehen. Man kann also mit Fug und Recht von einem Erfolgsmodell sprechen. Der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) kommt in diesem Zusammenhang eine überragende Bedeutung zu, denn der Beleihungswert stellt die Basis für die   Sicherheit der Hypothekenpfandbriefe dar.

Die Frage ist jedoch, ob der Sicherheitsgedanke dabei nicht übertrieben wird und einer günstigen Finanzierung entgegenwirkt. Untersucht man etwa in nachfragestarken Großstadtlagen die Liegenschaftszinssätze in einer langjährigen Reihe, wird man schnell feststellen, dass auch während der Verwerfungen am Kapitalmarkt die Liegenschaftszinssätze deutlich niedriger waren, als die von der BelWertV geforderten 5 % für den Kapitalisierungszinssatz von Wohnimmobilien. Seitdem sind sie stark gesunken und werden nach Expertenmeinung in Ballungsräumen auf absehbare Zeit nicht in einem Ausmaß ansteigen, dass sie in die Nähe von 5 % kommen.

Lagen beispielsweise die Liegenschaftszinsen für hochwertige Wohnimmobilien in Frankfurt im Jahr 2007 noch bei 4 %, werden mittlerweile Werte von 1 % und weniger ausgewiesen, wie die Grafik zeigt.

Liegenschaftszinssatz Wohnen Frankfurt 2007–2017

Dieses Auseinanderdriften von Realität (Markt) und Risikoaffinität (Beleihungswert) führt den Immobilienbewerter immer häufiger in Erklärungsnot – nicht bezüglich der  eigenen Kompetenz, sondern in Bezug auf die Sinnhaftigkeit der in der BelWertV (Beleihungswertermittlungsverordnung) starr festgelegten Grenzwerte.

Finanzierungskosten erhöhen sich

Denn für die Bankkunden bedeuten hohe Marktwerte und niedrige Beleihungswerte höhere Finanzierungskosten. Der relative Anteil von privilegiert zu behandelnden – weil deckungsstockfähigen – Finanzierungsbestandteilen sinkt (60% des Beleihungswerts), die Gesamtfinanzierung wird verteuert. Dies hat u. a. auch Auswirkungen auf den geforderten Mietzins, damit Investoren ihre angepeilte ohnehin schon geringe Rendite erzielen können.

In der Diskussion zum Thema „günstiges Bauen, günstiges Wohnen“ taucht die Debatte um die Sinnhaftigkeit starrer Grenzwerte in der BelWertV jedoch nicht auf. Der Beleihungswert – so scheint es – hat den Status der Unantastbarkeit erreicht, Reformen sind hier unerwünscht.

Doch nähern wir uns unvoreingenommen dem Thema und beginnen mit dem Qualitätsanspruch des Beleihungswerts. § 16 Pfandbriefgesetz führt dazu aus: „Der Beleihungswert darf den Wert nicht überschreiten, der sich im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung der zukünftigen Verkäuflichkeit einer Immobilie und unter Berücksichtigung der langfristigen, nachhaltigen Merkmale des Objektes, der normalen regionalen Marktgegebenheiten sowie der derzeitigen und möglichen anderweitigen Nutzungen ergibt.“

Der Beleihungswert markiert somit einen Mindestwert, der auch während nachfragearmer Marktphasen in einer geordneten Verwertung als Verkaufspreis der Immobilie zu erzielen sein muss. Beim Blick auf die zurückliegenden Marktphasen – die letzte Kreditkrise ausdrücklich einbezogen – ist festzustellen, dass die zu erzielenden Marktwerte noch immer deutlich oberhalb der ermittelten Beleihungswerte lagen. Der Ausnahmemarkt im Jahr 2009 stellt dabei nicht mal eine übliche Schwankung des Marktgeschehens dar, sondern ist als außergewöhnliche Marktverschiebung, mit deren Auftreten nicht in absehbarem Zeitraum zu rechnen ist, anerkannt. Dennoch lagen die ermittelten Zinssätze in diesem Zeitraum unterhalb der Mindestkapitalisierungszinssätze der BelWertV.

Es drängt sich daher die Frage auf: Kann eine Anpassung der BelWertV an die langfristigen Marktgegebenheiten gelingen, ohne den Sicherheitsanspruch in Frage zu stellen? Oder ist die Diskussion hierzu eher schädlich?

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Kontakt: Sven Carstensen, Geschäftsführer bulwiengesa appraisal GmbH, carstensen [at] bulwiengesa-appraisal.de