Marktperspektiven von Wirtschaftsimmobilien | Büromarkt
Marktperspektiven von Wirtschaftsimmobilien | Büromarkt
Für das Herbstgutachten des ZIA haben wir Investments, Büro-, Logistik-, Hotel- und Pflegeimmobilien analysiert. Hier lesen Sie unsere Zusammenfassung zum Büromarkt: Der ist (noch) stabiler, als viele denken.
Die Entwicklung auf dem Markt für Büroimmobilien stellt sich für die verschiedenen Stakeholder sehr unterschiedlich dar. Vorbehalte auf Seiten der finanzierenden Banken für Neubauprojekte, die mediale Diskussion um den Erfolg von Homeoffice und dem daraus abgeleiteten geringeren Büroflächenbedarf oder die ersten kritischen Wochen für die Anbieter von Flexible Workspace haben zunächst die Stimmung beeinflusst.
Aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheiten durch die Covid-19-Pandemie agierten Unternehmen im ersten Halbjahr deutlich zurückhaltender. Anmietungsentscheidungen werden vorerst eingestellt bzw. deutlich in die Zukunft verschoben. In der Folge erreichte das Umsatzergebnis im ersten Halbjahr 2020 mit 1,13 Mio. qm umgesetzter Bürofläche lediglich 66 % des Vorjahresniveaus, wobei gerade das zweite Quartal 2020, beispielsweise in Frankfurt am Main, einen besonders starken Einbruch zeigte.
Durch umfangreiche fiskalische Maßnahmen wurden die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Erwerbsbevölkerung und die Unternehmen in den letzten Monaten gut gemildert. Für den Arbeitsmarkt gilt auch noch in den kommenden Monaten, dass – in Analogie zur Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 – verschiedene Maßnahmen die Ausbreitung der negativen wirtschaftlichen Folgen zumindest teilweise kompensieren werden.
Die Auswirkungen der Rezession werden sich insbesondere bei den prekär Beschäftigten und Selbstständigen zeigen. Die Mehrzahl der Bürobeschäftigten wird jedoch auch nach der Krise weiterhin in Anstellung sein. Von einem fundamentalen Nachfrageeinbruch aufgrund rückläufiger Beschäftigung ist somit im Bürobereich derzeit nicht auszugehen. Dennoch hinterlässt die Krise ihre Spuren, die sich bereits jetzt in stark rückläufigen Umsatzahlen zeigen.
Nicht nur die Anzahl an Bürobeschäftigten, sondern auch der Flächenverbrauch pro Kopf ist relevant für die zukünftige Nachfrage. Hier sind zwei diametral verlaufende Entwicklungen zu sehen: Einerseits wird die Relevanz von Homeoffice-Regelungen in der Arbeitsorganisation zunehmen, was sich grundsätzlich komprimierend auf den Verbrauch auswirkt. Andererseits werden neue Arbeitsplatzkonzepte mehr Abstand der Mitarbeiter zueinander vorsehen, um hygienische Standards einzuhalten.
Erhebliche Auswirkungen durch die Krise sind auf den Projektentwicklungsbereich zu erwarten – insbesondere Bauvorhaben mit ungesicherter Finanzierung und geringen Vorvermietungsquoten dürften derzeit zurückgestellt werden. Dennoch sind dieses Jahr Fertigstellungszahlen von rund 1,5 Mio. qm in den deutschen A-Märkten zu erwarten, was einen Zuwachs von etwa 40 % zum Vorjahr und den höchsten Wert seit dem Jahr 2003 darstellt. Die final angestoßenen Projekte weisen bereits sehr hohe Vermietungsstände auf und treffen überwiegend auf eine sehr angespannte Angebotssituation in den sieben Bürometropolen, weswegen hier nicht mit Projektstopps zu rechnen ist. Anders sieht es bei Projekten aus, die sich noch im Planungsstadium befinden und in der Regel erhöhte Vermarktungs- und Entwicklungsrisiken aufweisen. Hier ist davon auszugehen, dass die Fertigstellungshorizonte sich deutlich verschieben.
Nicht vollständig beseitigt ist allerdings bislang die Gefahr von Unternehmensinsolvenzen auch in Branchen, die büromarktrelevant sind, wie etwa Verkehr, Fremdenverkehr oder Veranstaltungswesen. Eine große Rolle in Alternativszenarien zur Büromarkt-Hauptprognose von bulwiengesa spielen hier Arbeitslosen- und Beschäftigtenzahlen und deren Entwicklung.
Insgesamt wird sich der Leerstand in den sieben Bürometropolen bis 2024 leicht nach oben bewegen; der Höhepunkt in den A-Städten wird für die Jahre 2021 und 2022 erwartet. Eine Berechnung der absehbaren durchschnittlichen Szenarien der Leerstandsentwicklung für die A-Städte zeigt, wie stark sich die Effekte auswirken können: zwischen einem – auf das Gesamtjahr bezogen – zumindest noch minimal positiven Zuwachs der Bürobeschäftigung in Deutschland von 0,07 % p.a., einem Stagnations-Szenario oder einem Bürobeschäftigtenabbau von 0,5 % p.a. Bei einem Nullwachstum der Bürobeschäftigten ist in den sieben A-Städten bis 2024 ein Leerstand von ca. 4,9 % zu erwarten, was in etwa dem Niveau von 2016 entspricht. Bei leichten Beschäftigtenrückgängen steigt der Leerstand bis 2024 gemäß dem Szenario zwei auf ca. 6,7 % in den Top-Bürostandorten, was sich deutlich nachhaltiger auf die Büromieten auswirken würde.
Homeoffice-Trend sorgt bei vielen für Kopfzerbrechen
Homeoffice und mobiles Arbeiten hatten während des Lockdowns ab Mitte März 2020 sowohl in konkreter Umsetzung wie vor allem auch in der medialen Diskussion eine zentrale Bedeutung. In den zurückliegenden Jahren wurde der Homeoffice- und Mobile-Office-Anteil in Deutschland konstant mit etwa 12 % angegeben, während er in anderen europäischen Ländern schon deutlich höher lag, in Frankreich etwa bei 25 %, in den Niederlanden bei 30 %. Mit Homeoffice verbunden sind die digitalen Voraussetzungen wie leistungsfähiges WLAN, gesicherte VPN-Verbindungen, Cloud-Computing und – ganz simpel – die ausreichende Ausstattung mit geeigneter Hardware. Aber auch die rechtlichen Vorgaben müssen pragmatisch ausgestaltet werden. Dies gilt zum Beispiel in Bezug auf die Arbeitsstättenverordnung, die im Jahr 2016 mit Regeln für das Homeoffice modifiziert wurde.
Die meisten Erhebungen und Diskussionsbeiträge in dem Kontext gehen derzeit davon aus, dass gegenüber dem durchschnittliche Büroflächenbedarf von 2019 nun durch den Homeoffice-Trend künftig rund 10 % weniger Büroflächen benötigt werden. International und national kündigen Konzerne wie Facebook oder Siemens große Investitionen an, um Homeoffice komplett oder für ein bis drei Tage pro Woche zu ermöglichen. Workspace-Dienstleister gehen einen Schritt weiter und sehen neben diesem Trend zu Homeoffice parallel auch die Notwendigkeit, enge Großraumbüros und Gruppenbüros neu zu konfigurieren, um gebotene Abstandsregeln einhalten zu können oder auch sozialen und prozessorientieren Bedürfnissen besser gerecht zu werden.
Historisch war für den deutschen Büroimmobilienmarkt und die Flächeninanspruchnahme pro Kopf entscheidender, wie stark jeweils die Bürobeschäftigung zu- oder abnahm. Zuletzt sank die Bürofläche pro Kopf in den A-Städten von rund 27 qm in 2006 auf rund 25 qm in 2019, was mit einem Anstieg der Bürobeschäftigten um rund 2 Mio. Personen in Gesamtdeutschland im gleichen Zeitraum einher ging. Dieser Effekt hatte sicherlich eine größere Hebelwirkung für den Immobilienmarkt und wird es perspektivisch noch haben als etwa Details in der branchenabhängigen Arbeitsorganisation.
Fazit
Wirtschaftsimmobilien sind bislang verhältnismäßig gering von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Dies trifft vor allem auf Büroimmobilien zu, für die die Fundamentalkennzahlen weiterhin positiv sind. Hierbei profitiert der Markt von der hervorragenden Ausgangssituation vor der Krise – einer vitalen Nachfrage insbesondere in den Metropolen stand ein sehr limitiertes Angebot gegenüber. Allerdings kann dies nur als ein Zwischenfazit angesehen werden. Mögliche Nachfrageeinbrüche sind bei einem erneuten Lockdown-Szenario und den damit verbundenen rezessiven Verwerfungen nicht auszuschließen.
Hinweis: Das Herbstgutachten kann auf der Website des ZIA heruntergeladen werden.
Ansprechpartner: Oliver Rohr, Projektleiter im Bereich Büroimmobilien bei bulwiengesa, rohr [at] bulwiengesa.de