Nebenlagen, kleine Städte – kommt bald ein böses Erwachen?
Nebenlagen, kleine Städte – kommt bald ein böses Erwachen?
Die A-Städte scheinen aus Investorensicht längst abgegrast. Im Immobilienmanager spricht Sven Carstensen, Autor der „Fünf-Prozent-Studie“, darüber, wo investieren sich noch lohnt
(Hinweis: Das Interview ist zuerst erschienen im Immobilienmanager vom 27.3.2017. Das Interview führte Christian Hunziker.)
Herr Carstensen, auch in den B- und C-Städten sind die Preise deutlich gestiegen. Entspricht die Rendite an diesen Standorten noch dem Risiko?
Es ist richtig, dass Investoren, die unter Investitionsdruck stehen, ihr Glück vermehrt in kleineren Städten suchen. Ob dort das Rendite-Risiko-Verhältnis noch stimmt, hängt wesentlich davon ab, ob das Investment eine marktadäquate Größe hat. Als Faustregel für kleinere Märkte gilt, dass ein Bürogebäude nicht mehr Fläche aufweisen sollte als zehn bis zwanzig Prozent des jährlichen Flächenumsatzes. Wenn in einer Stadt also jährlich nur etwa 20.000 Quadratmeter Bürofläche vermietet werden, sollte ein risikobewusster Investor kein Objekt mit mehr als 4.000 Quadratmeter Fläche kaufen.
Und wie sieht es mit der Liquidität aus?
In heißen Marktphasen sind auch kleinere Städte liquide, da die Nachfrage sogar von ausländischen Investoren kommt. Wenn sich der Markt abgeschwächt hat, sind Alternativstandorte bei Investoren schnell weniger gefragt. Investoren müssen deshalb ein längeres Exit-Szenario einkalkulieren. In einem schwachen Marktzyklus kann es sein, dass ihre Büroimmobilie trotz guter Performance wie Blei liegt.
Ist den Investoren diese Herausforderung bewusst?
Sie sollte ihnen auf jeden Fall bewusst sein. Wir sehen Investoren, die auch in den Nebenlagen von C- und D-Städten Büroimmobilien kaufen mit dem Ziel, sie zu optimieren und in etwa zwei Jahren wieder zu veräußern. Das kann schief gehen, wenn der Aufschwung früher als erwartet zu Ende geht. Für den einen oder anderen Investor könnte es also durchaus ein böses Erwachen geben.
Apropos Nebenlagen: Sollten Büroinvestoren davon in kleineren Städten ganz die Finger lassen?
So würde ich das nicht sagen. An einem Standort, an dem in den vergangenen Jahren kaum gebaut wurde, kann es auch in Nebenlagen gute Objekte geben. Um diese aber auch nachhaltig zu bewirtschaften, braucht man ein gutes lokales Netzwerk. Grundsätzlich ist es immer sicherer, in zentralen Lagen zu investieren, wo man auch in schwierigeren Zeiten Mieter findet.
Ein Blick auf Einzelhandelsimmobilien: Hilft hier die A-, B- und C-Kategorisierung weiter?
Nicht wirklich. Diese Einteilung bezieht sich insbesondere auf die Büromärkte. Bei Einzelhandelsimmobilien sind andere Kriterien wichtiger – zum Beispiel die Kaufkraftkennziffer, die Größe des Einzugsgebiets und die Verkehrsanbindung.
Und bei Wohnimmobilien?
Wir beobachten, dass viele Investoren in die Metropolregionen oder in kleinere Städte aus- weichen, weil das Angebot und die Rendite in den Großstädten sehr gering sind. Bei Wohninvestments in kleineren Städten sollten Investoren aber unbedingt die demografische Entwicklung berücksichtigen. Das Thema Demografie wird uns in den nächsten Jahren stärker beschäftigen, als wir jetzt glauben. In ihrem Business-Plan sollten Investoren bedenken, dass Mieten nicht zwangsläufig ständig steigen und dass es auch mal zu einer Nachfragedelle kommen kann. Wohninvestments in Regionen mit weniger guten Aussichten ergeben deshalb nur in guten Lagen Sinn.