Corona-Effekt beschleunigt Strukturwandel im Einzelhandel
Corona-Effekt beschleunigt Strukturwandel im Einzelhandel
Die Umsätze des stationären Einzelhandels werden kaum je wieder auf das Niveau von vor der Corona-Krise steigen. Weil die Mieten von den Umsätzen der Händler abhängig sind, ist eine dauerhafte Mietreduktion kaum mehr abzuwenden. Das zeigt unsere aktuelle Analyse zu den Auswirkungen des Shutdown sowie eine eigens erstellte Modellrechnung.
Der Corona-Effekt beschleunigt den Strukturwandel im Einzelhandel. Ein Teil des Einzelhandelsumsatzes, der während des Shutdowns an den Onlinehandel abgegeben wird, bleibt dauerhaft für den stationären Einzelhandel verloren. Die Folge: langfristige Mietreduktionen. Offen ist die Frage, in welcher Höhe sich der aktuelle Shutdown auch längerfristig auf die Mieten im Einzelhandel auswirken wird. Die Umsatzentwicklung nach der Shutdown-Phase hängt entscheidend von der Geschwindigkeit des „Hochfahrens“ ab.
Neben Mieten und Nebenkosten sind die Personalkosten und natürlich Wareneinstandskosten die herausragenden Kostenblöcke. Da Warenbeschaffung – der Hauptkostenblock – und Personalkosten kaum zu reduzieren sein werden, bleiben die Miet- und Mietnebenkosten. Hier dürfte das Gros der Einzelhändler Einsparpotenziale sehen und versuchen zu realisieren.
Denn in der aktuellen Lage genießen die Einzelhandelsbeschäftigten in den nicht vom Shutdown betroffenen Geschäften einen herausragenden Ruf. Sie werden als systemrelevant eingestuft. Diese neue Rolle passt aber kaum zur bisherigen Bezahlung. Aufgrund der gegenwärtigen Wertschätzung in der Öffentlichkeit für diese Berufsgruppen wird es in Zukunft kaum noch ein Zurück bei der Höhe der Bezahlungen geben.
Mit Beginn der Shutdown-Phase haben viele der betroffenen stationären Einzelhandelsunternehmen ihre Mietzahlungen eingestellt oder reduziert. Nach dieser Phase werden weitere Abstimmungen zwischen Vermietern und Mietern anstehen. Eigentümer von Einzelhandelsimmobilien müssen sich bei Mietern bestimmter Branchen, z. B. Mode und Bekleidung, Schuhe und Lederwaren, Hausrat und Haushaltswaren, Spielwaren, Elektronik sowie Uhren und Schmuck, auf niedrigere Mieten einstellen. In welcher Höhe diese Reduktion schließlich ausfällt, ist gegenwärtig schwer auszumachen.
Modellrechnung für Umsatzentwicklung gibt Indikation für Höhe der Mietreduktion
Um einen ersten Anhaltspunkt zur möglichen Höhe der Mietreduktion zu erhalten, haben wir eine Modellrechnung zur Umsatzentwicklung im stationären Einzelhandel erstellt. Einzelhandelsmieten orientieren sich in erster Linie am Umsatz. Das kommt in der Miet-Umsatz-Belastung (RSR Rent-to-Sales-Ratio) zum Ausdruck. Ein Anstieg der RSR kann aus einer Umsatzschwäche bei konstanter Miete oder einer Mietsteigerung bei konstantem Umsatz resultieren.
Mit unserer Einschätzung zur künftigen Umsatzentwicklung im stationären Einzelhandel können daraus auch Anhaltspunkte für die Entwicklung der Einzelhandelsmieten abgeleitet werden, sofern man branchenspezifische RSR zugrunde legt.
Soll der Einzelhandelsmieter im Jahr 2020 und 2021 mit derselben Miet-Umsatz-Belastung wie im Jahr 2019 kalkulieren können, so ist die Miete im selben Maße wie der Umsatzrückgang anzupassen. Wird beispielsweise ein Umsatzindex von 90 ausgewiesen, so ist die Miete gegenüber dem Jahr 2019 um 10 % abzusenken, damit der Einzelhandelsmieter wieder mit der identischen Mietbelastung wie vor der Corona-Krise operieren kann.
Wir haben zwei Szenarien gerechnet, ein Basisszenario sowie das Szenario „Langes U“. Das Basisszenario geht von einer Normalisierung der wirtschaftlichen Lage über die Sommermonate hinweg aus. Im Szenario „Langes U“ wird zwar von einer Lockerung der Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus ausgegangen, aber die Beeinträchtigungen und punktuellen Einschränkungen ziehen sich über die Sommermonate hinweg. Entsprechend ist von Insolvenzen und auch Entlassungen auszugehen. Die Wirkungen beider Szenarien wurden für die Umsatzentwicklung der Hauptwarengruppen im Einzelhandel eingeschätzt.
Fazit: Reduktion individuell und mit Augenmaß
Zweifellos sollten Vermieter den Einzelhändlern entgegenkommen. Im anderen Fall könnte ihnen sonst ein länger anhaltender Leerstand drohen, da Belegungsalternativen zunächst kaum vorhanden sind. Auch die in der Vergangenheit stark favorisierte Gastronomie ist zumindest keine Alternative mehr. Allerdings sind Vermieter nicht für die Sanierung der Einzelhändler verantwortlich.“
Pauschalisieren lassen sich Mietreduktionen nicht, sondern müssen mit Augenmaß und individualisiert vorgenommen werden. Allein die Shoppingcenter-Branche muss sich auf Mietreduktionen von rund 75 Mio. Euro p. a. einstellen. Dies erfordert ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Mieter und Vermieter, in dem der Mieter mit offenen Karten spielt und dem Vermieter auch Einblicke in seine Kostenstrukturen gewährt.
Direkter Link zur Modellrechnung: https://tabsoft.co/2Ve9N9v
Ansprechpartner: Dr. Joseph Frechen, Bereichsleiter Einzelhandel und Niederlassungsleiter Hamburg, frechen [at] bulwiengesa.de, Telefon 040-42 32 22-25.