Sind Multilabel-Häuser die besseren Warenhäuser?

Sind Multilabel-Häuser die besseren Warenhäuser?


Einzelhandel
06.09.2018 Autor/en: Dr. Joseph Frechen

Schon seit mehr als 20 Jahren hält die Krise der deutschen Warenhauskonzerne an. Dabei haben sich in ihrem Schatten längst andere Häuser sehr erfolgreich neu erfunden. Die Local Heroes aus Mannheim, Stuttgart oder Osnabrück mit ihren Multilabel-Konzepten zeigen, dass  außergewöhnliche Ideen Kunden zum Besuch mobilisieren.

Der anhaltende Umsatz- und Bedeutungsverlust der etablierten Warenhauskonzerne führt zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit Warenhäusern als Einzelhandelsimmobilie. Spätestens mit der Übernahme von Hertie durch Karstadt in den frühen 1990er-Jahren sowie Horten durch Kaufhof hatte der Konzentrationsprozess angefangen; in jüngerer Vergangenheiten folgten die Übernahme von Karstadt durch die Signa-Gruppe sowie der Verkauf von Galeria Kaufhof an die kanadische HBC und mündet nun wahrscheinlich in eine Fusion dieser beiden zu einer bereits öfter genannten Deutschen Warenhaus AG, bestehend aus Karstadt und Galeria Kaufhof. Aber hat all das geholfen bzw. kann es helfen, das „Modell Warenhaus“ zu retten?

Die jüngsten Daten der beiden in Deutschland verbliebenen Warenhausunternehmen zeichnen ein ambivalentes Bild. Galeria Kaufhof befindet sich seit der Übernahme durch die kanadische HBC im Jahr 2015 noch immer auf Transformationskurs. Neben der Schließung von mehreren Häusern kündigte das Unternehmen an, die zu Beginn 2019 auslaufenden Mietverträge der Häuser in Hof und Solingen nicht verlängern zu wollen. Die optimistisch begonnene Expansion mit dem Designer-Outlet-Konzept Saks off 5th wird derzeit zurückgeschraubt. Mit acht Häusern konzentriert sich der Mutterkonzern HBC zunächst auf Sortimentsüberarbeitung und Warenpräsentation. In der Summe hat dies bisher zu keinen positiven Geschäftsergebnissen geführt.

Karstadt wiederum entwickelte sich zuletzt positiv und verzeichnete erstmalig seit 2006 ein leicht positives Betriebsergebnis, wenngleich auch durch Flächenvermietungen gespeist. Neben der Stabilisierung des Umsatzes forciert das Unternehmen den Ausbau der Online-Sparte auf einen Anteil von rund zehn Prozent bis zum Jahr 2020. Die ersten Schritte macht Karstadt mit der Eröffnung eines digitalen Geschäftshauses im Berliner Stadtteil Tegel in der Fußgängerzone Gorkistraße.

Intensive Auseinandersetzung mit Warenhäusern wird unausweichlich

Nach Angaben von Karstadt wird das Pilotkonzept auf rd. 8.000 Quadratmetern das stationäre und online-Warenangebot auf das Engste miteinander verknüpfen. Ein ähnliches Konzept ist zudem für die Berliner Gropius Passagen vorgesehen. Mit der Übernahme des insolventen Berliner Start-ups Kisura hat Karstadt zudem nun eine hauseigene Online-Stilberatung an der Hand.

Wie gesagt wird ein möglicher Zusammenschluss von Karstadt und Galeria Kaufhof zu einer Deutschen Warenhaus AG bereits seit Jahren diskutiert; durch die im Juli 2018 unterzeichnete Absichtserklärung zwischen der Signa-Gruppe und HBC könnte man dem einen Schritt näher gekommen sein. Zudem haben die Banken diesem Plan im September 2018 zugestimmt, sodass im Grunde ein Joint Venture zwischen den Unternehmen unter Führung der Signa-Gruppe zustande kommen sollte. Im Ergebnisse wird daraus wohl eine intensive Auseinandersetzung mit den derzeit von beiden Gruppen betriebenen Warenhäusern folgen. Vor allem in den Innenstädten, in denen beide Unternehmen vertreten sind, müssten alle Akteure über etwaige Nachnutzungsoptionen der mehrgeschossigen High-Street-Immobilien nachdenken (siehe Übersicht im immobilienmanager). Punktuell dürften Schließungen von Warenhäusern unausweichlich werden.

Surfen auf der Welle: In Osnabrück zeigt L&T, wie man Kunden zum Besuch animiert

Lokale Akteure wandeln sich zu erfolgreichen Multilabel-Häusern

Die seit mehr als 20 Jahren anhaltende Krise der ehemals dominierenden deutschen Warenhauskonzerne verstellt aber den Blick auf die erfolgreiche Transformation des Betriebstyps Warenhaus hin zu den erfolgreich agierenden Multilabel-Häusern, wie sie in vielen deutschen Innenstädten von Flensburg bis Passau und Aachen bis Dresden anzutreffen sind. Diese oftmals als Kauf- und Warenhaus gestarteten Anbieter entwickelten sich zu den heutigen Local Heroes in ihren jeweiligen Städten. Denn sie haben eine hohe Kundenorientierung, das Sortiment mit Mode als Angebotsschwerpunkt ist eher tief statt breit und zudem ergänzt um modeaffine Branchen wie Schuhe und Lederwaren, Parfümerie, Papeterie, Wohnaccessoires sowie (Feinkost-)Lebensmittel und diverse gastronomische Angebote.

Statt regionaler oder nationaler Filialisierung wird oftmals lieber die lokale Präsenz ausgebaut, etwa durch den Ausbau des Stammhauses oder dessen Ergänzung durch weitere innerstädtische Ladengeschäfte. Im Mittelpunkt dieser Konzepte stehen die Inszenierung der Ware und die Schaffung von attraktiven Einkaufserlebnissen, u. a. mit unterstützender Kundenberatung durch kompetentes Verkaufspersonal, die Schaffung von Verweilmöglichkeiten und regelmäßige Kundenevents.

Eines der bekanntesten Beispiele ist Breuninger Stuttgart, der eine gezielte Expansion in die deutschen Metropolen verfolgt, wie die letzte große Neueröffnung im Düsseldorfer Kö-Bogen  2013 zeigt. Auch in Hamburg wird das Unternehmen regelmäßig als potenzieller Betreiber attraktiver Innenstadthäuser ins Gespräch gebracht.

In Osnabrück zeigt L&T, dass das Multilabel-Konzept eine echte Alternative ist. Im Frühjahr 2018 eröffnete als Ergänzung zum Stammhaus das neue innerstädtische Sporthaus mit Erlebnisfläche – einer stehenden Welle. Der Claim bringt das neue Konzept auf den Punkt: „Wir sind ein Haus, das verbindet: Mode & Sport, Fitness & Genuss, Osnabrück & Region. In den letzten Jahren haben wir uns rasant weiterentwickelt.“  

Als weitere Beispiele erfolgreich agierender Multilabel-Anbieter sind Reischmann in Ravensburg und Ulm zu nennen, Engelhorn in Mannheim, Konen, Lodenfrey oder Beck in München, Hagemeyer in Minden, Kaiser in Freiburg oder CJ Schmidt in Husum und Bantl in Schorndorf. Klar wird: Durch außergewöhnliche Konzepte und besondere Erlebnisse kann der stationäre Einzelhandel Kunden zum Besuch mobilisieren und so im umkämpften Mode- und Sporthandel einen Kontrapunkt zum Onlinehandel setzen.

 

Hinweis: Der Artikel ist eine leicht geänderte Fassung eines Textes im HAHN Retail Real Estate Report 2018/2019 – Marktbericht zum Einzelhandel und Handelsimmobilien-Investmentmarkt in Deutschland, den die Hahn Gruppe in Kooperation mit CBRE, dem EHI Retail Institute und bulwiengesa erstellt hat.  

Ansprechpartner: Dr. Joseph Frechen, Leiter der Niederlassung Hamburg bei bulwiengesa, frechen [at] bulwiengesa.de