Punktuell wärmer in Ostdeutschland
Punktuell wärmer in Ostdeutschland
In der Neuauflage einer gemeinsamen Studie mit BPD haben wir Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt in Deutschland analysiert. Die „Wohnwetterkarte“ visualisiert für 11.000 Gemeinden die Aussichten für die kommenden Jahre. Zum Vorjahr gab es kleine, interessante Veränderungen.
Der Wohnungsbedarf ist von 2019 auf 2020 noch einmal deutlich gestiegen, das zeigt der Blick auf die Zahlen, die den Wohnwetterkarten 2019 und 2020 zugrunde liegen. Zudem heizen Großstädte nach wie vor ihr Umland stark mit auf, während strukturschwache Regionen noch kühler werden.
Die Wohnwetterkarte zeigt analog zu einer Wetterkarte anhand eines Temperaturgefälles den Zustand des Wohnungsmarktes in rund 11.000 deutschen Gemeinden an. Für jede Gemeinde wird damit die „Temperatur“ des Wohnungsmarktes bildhaft dargestellt und gibt einen Ausblick auf die nächsten drei bis fünf Jahre. Als Indikator dient insbesondere die Nachfrage nach Wohnungen, die unter anderem mit dem aktuellen Bauvolumen abgeglichen wurde. Je heißer eine Gemeinde, desto größer ist der Wohnraumbedarf bei zu geringer Bautätigkeit.
Deutlich zu sehen ist die große Polarisierung auf dem deutschen Wohnungsmarkt: Während in ländlichen Regionen teilweise Anreize für neue Wohnungen gesetzt werden, obwohl keine entsprechende Nachfrage besteht, sind die Großstädte weiter aufgeheizt, weil dort nach wie vor Wohnungen fehlen. Die Großstädte strahlen daher immer weiter in ihr Umland aus – sogar über die Grenzen der Metropolregionen hinaus. Um Zersiedlung und mehr Verkehr zu vermeiden, werden bedarfsgerechte konzentrierte größere Entwicklungen in den Umlandzentren mit durchdachten Verkehrs- und Mobilitätskonzepten benötigt.
Großstädte heizen ihr Umland auf
Das Wohnwetter ist in den großen Metropolen Berlin, Frankfurt, Köln, Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart und München weiterhin heiß. Die Neubautätigkeit kann hier auf absehbare Zeit nicht mit der Wohnraumnachfrage mithalten. Durch die Knappheit in den großen Städten steigt die Nachfrage im infrastrukturell gut angebundenen Umland. Da auch hier der Neubau nicht schritthalten kann, steigt die Temperatur, oder anders gesagt: Das Wohnwetter der Metropolen strahlt vermehrt in das Umland aus.
Besonders deutlich zeigt sich dies in Brandenburg. Da die Wohnungsbedarfe in Berlin nicht schnell genug gedeckt werden, wird es zu einer verstärkten Suburbanisierung kommen. Aber auch an den Rändern der Region Stuttgart und des Rhein-Main-Gebiets wird es wärmer.
Neben den Großstädten weisen auch kleinere Städte, meist mit hohem Studierendenanteil, wie Kiel, Rostock, Braunschweig, Magdeburg, Münster, Bonn, Erfurt, Karlsruhe oder Freiburg eine hohe Wohnungsnachfrage bei zu geringer Bautätigkeit auf – entsprechend heiß ist das Wohnwetter.
Die heißeste Region Deutschlands bleibt Süddeutschland. Hier gibt es viele Zuzüge – die Mehrzahl der sehr heißen Kreise befindet sich im Radius von 100 Kilometern um München. In Süddeutschland liegt auch erneut die heißeste Gemeinde: Glonn. Der Wohnungsmarkt im 30 Kilometer südöstlich von München gelegenen Glonn ist von besonders wenig Neubaumöglichkeiten geprägt.
Strukturschwache Regionen kühlen weiter ab
Eine Entwicklung hin zu kühleren Temperaturen weisen neben weiten Teilen Ostdeutschlands vor allem strukturschwache Regionen in Westdeutschland auf. Fast alle Regionen, die gegenüber 2019 kälter geworden sind, liegen weiter weg von den großen Ballungsräumen und sind verkehrstechnisch schlecht angebunden. Beispiele sind die Nordseeküste, der Hunsrück, die Rhön und das nördliche Oberfranken. Im Ruhrgebiet sind die Kommunen außerhalb der warmen Kernstädte Duisburg, Essen und Bochum kühler geworden – nur Dortmund strahlt etwas mehr nach außen.
Dass auch ländliche Regionen heiß sein können, zeigt sich in Emsland-Cloppenburg-Vechta, Konstanz-Tuttlingen-Balingen und Ulm-Oberschwaben-Allgäu. Hier führt eine starke mittelständische Wirtschaftsstruktur zusammen mit einer hohen Geburtenrate zu einer hohen Wohnraumnachfrage.
Ostdeutschland wird punktuell wärmer
Der Osten ist weiterhin die kälteste Region der Republik. Doch die meisten der wärmer gewordenen Regionen liegen in Ostdeutschland. Neben Berlin, dessen warmes Wohnwetter immer weiter nach Brandenburg hineinstrahlt, steigt die Temperatur relativ zum Vorjahr auch in verkehrsgünstig gelegenen Korridoren wie Eisenach-Erfurt-Jena deutlich. Gleiches gilt für die landschaftlich attraktiven Küstenregionen in Mecklenburg-Vorpommern. Die Entwicklung sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die kältesten Regionen nach wie vor im Osten Deutschlands liegen: In fast ganz Sachsen-Anhalt, der Lücke zwischen Dresden, Leipzig und Berlin sowie in Thüringer Wald und Erzgebirge ist es nach wie vor sehr kalt.
Fazit
In vielen deutschen Großstädten sowie in Ballungsräumen von Südhessen, Südbayern und Baden-Württemberg mangelt es an einer ausreichenden Zahl von Baufertigstellungen. Dieser Engpass hat sich gegenüber 2019 stärker in die Fläche verteilt. Daraus lassen sich Vor- und Nachtteile ableiten: Diese Entwicklung stärkt die Regionen jenseits der großen Ballungsräume in demografischer, wirtschaftlicher und infrastruktureller Hinsicht und entlastet damit die Großstädte. Die unterschiedlichen Temperaturen der Wohnwetterkarte sind auch Ergebnis der falschen Verteilung der Bautätigkeit in Deutschland. Trotz eines insgesamt gestiegenen Wohnungsbedarfs wird in weiten Teilen von Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sowie im Saarland und dem südlichen und östlichen Niedersachsen gemessen am tatsächlichen Wohnraumbedarf zu viel gebaut.
Hinweis: Die interaktive Wohnwetterkarte und weitere Infos finden Sie auf der Website von BPD. 2021 erfolgt das nächste Update.
Ansprechpartner: Felix Embacher, Head of Research & Data Science bei bulwiengesa, embacher [at] bulwiengesa.de und Robin Cunningham, Volkswirt bei bulwiengesa, cunningham [at] bulwiengesa.de