Sie möchten eine WG initiieren

Vorausgeschickt

Die "Demenz-WG" ist ein Ort vieler Projektionen: Ort des Alterns in Gemeinschaft und in Würde, trotz Demenz – oder lukratives Geschäftsfeld. Daher vorausgeschickt: Die FAW betrachtet wirtschaftliche Interessen nicht als unvereinbar mit qualitativ hochwertiger Pflege und Betreuung. Sie nimmt aber Abstand von Projekten, die ausschließlich von wirtschaftlichen Erwägungen getragen sind und behält sich vor, mit Pflegediensten nur dann zu kooperieren, wenn ein gegenüber den Bewohnern und Angehörigen wertschätzendes und fachlich fundiertes Handeln zu erwarten ist.

Wir möchten mit Pflegediensten kooperieren, die einen fachlichen Schwerpunkt im Bereich der (Geronto-)psychiatrie haben oder aufbauen wollen und neben dem notwendigen Wissen auch über eine entsprechende personelle Struktur im Pflege- und Leitungsbereich verfügen. Der Arbeitsaufwand und die fachlichen Anforderungen an eine hochwertige Pflege und Betreuung in diesem Bereich gestalten sich oft umfangreicher als zunächst erwartet. Sollten Sie erstmals die Initiierung einer Wohngemeinschaft erwägen, legen wir Ihnen eine fachliche Beratung daher sehr ans Herz. Austausch und Unterstützung finden Sie bei Berufsverbänden und den entsprechenden Fachstellen. In unserer Linksammlung sind einige Organisationen mit entsprechender Expertise zusammengestellt. Auf unserer Website können Sie sich einen ersten Überblick über alles verschaffen, was in diesem Zusammenhang das Themenfeld »Wohnen« betrifft, beginnend bei den Eignungskriterien bis zu Einzelfragen des Mietverhältnisses. Gerne vertiefen wir dies auch im Rahmen eines Beratungsgesprächs.

Rollenverteilung in der WG

Grundlagen

Die Grundidee der ambulant betreuten Wohngemeinschaft ist die einer Wohn- und Betreuungsform, die Sicherheit und Gemeinschaft eines Heims ohne dessen institutionellen Einschränkungen bietet; familienähnliche Größe, alltagsnaher Tagsablauf und vor allen Dingen maximale Selbstbestimmung sind die zentralen Faktoren. Das Prinzip der ambulant betreuen Wohngemeinschaft hat sich in den letzten Jahren etabliert – allerdings sind es in der Regel die professionellen Partner, die Wohngemeinschaften initiieren und einen recht großen Teil der Alltagsplanung übernehmen.

Aufgrund des abhängigen Status von Heimbewohnern, die alle Leistungen aus der Hand eines Anbieters empfangen, in dessen Wohnraum leben und seine Regeln befolgen müssen, ist die Regelungs- und Kontrolldichte für stationäre Einrichtungen zum Schutz der Bewohner sehr hoch. Die relativ hohe Regelungsfreiheit der ambulant betreuten, selbständigen Wohngemeinschaften verdankt sich ausschließlich ihrem Status als privater Wohnraum, in dem Pflegeleistungen selbstbestimmt eingekauft werden. Die idealtypische Rollenverteilung einer ambulant betreuten und selbstständigen Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz gestaltet sich so:

 

Idealtypische Rollenverteilung einer ambulant betreuten und selbstständigen Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz

Rechte und Aufgaben der Mieter

Ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz unterscheiden sich hinsichtlich des Mietverhältnisses nicht von anderen privaten Wohngemeinschaften. Der zentrale Unterschied besteht darin, dass die Bewohner in den meisten Fällen unter Betreuung durch Angehörige oder gesetzliche Vertreter stehen. Die Mieter schließen den Vertrag mit dem Vermieter, tauschen alle dazu nötigen Daten aus und entrichten die Miete. Sie richten die Wohnung ein. Ziehen sie in eine bereits bestehende Wohngemeinschaft, richten sie das private Zimmer des neuen Bewohners ein und fügen nach Belieben eigene private Gegenstände dem Bestand der Gemeinschaft hinzu. Die Mieter kümmern sich um den Austausch von Verschleißgegenständen sowie um Kleinstreparaturen und benachrichtigen den Vermieter im Falle von Schäden an der Mietsache.

Rechte und Aufgaben der FAW im Mietverhältnis

Die Rechte und Pflichten der FAW entsprechen weitgehend denen eines normalen Vermieters, ergänzt um spezielle Service- und Beratungsleistungen. Sie entsprechen nicht denen eines Heimbetreibers. Die FAW berät und informiert Interessenten hinsichtlich der Mietsache und schließt den Mietvertrag mit ihnen. Sie rechnet die Betriebskosten und auf Wunsch auch Strom und Telefon mit den einzelnen Mietern ab. Sie ist verantwortlich für das Beheben von Schäden an der Mietsache (z. B. defekte Armaturen oder Fliesen), nicht jedoch für Haushaltsgeräte und Verschleißmaterial (z. B. Glühlampen oder Dichtungsringe). Sie  ist weiterhin verantwortlich für die Abnahme von Bewohnerzimmern bei Auszug, Preisauskünfte und den Abschluss von Nachmieterverträgen.

Rechte und Aufgaben des Pflegedienstes im Mietverhältnis

Miet- und Pflegevertrag stehen nicht in Zusammenhang. Der Abschluss des Mietvertrags führt nicht zum Abschluss eines Pflegevertrags und die Kündigung eines Pflegevertrags führt nicht zu einer Kündigung des Mietverhältnisses. Angesichts des hohen Aufwands, der für die Initiierung einer Wohngemeinschaft entsteht, mag es – insbesondere für Pflegedienste, die erstmals eine Wohngemeinschaft initiieren – zunächst befremdlich erscheinen, dass die Bewohner prinzipiell das Recht haben, den Pflegevertrag zu kündigen, ohne deshalb die Wohnung verlassen zu müssen.

Tatsächlich handelt der Pflegedienst mit der Initiierung der Wohngemeinschaft nicht in eigener Sache, wie ein Heimgründer, sondern faktisch stellvertretend für die Bewohner. Sowohl das Aussuchen der Wohnung als auch ihr Umbau und ihre Einrichtung, das Zusammenstellen der Bewohnergemeinschaft und die Neubesetzung von Zimmern sind in einer selbstbestimmten Wohngemeinschaft Aufgabe der darin lebenden Menschen und ihrer Vertreter. In einem Großteil von Wohngemeinschaften finden sich nur wenige Betreuer und Angehörige, die willens und in der Lage sind, diesen Aufgaben vollumfänglich nachzukommen und es daher begrüßen, wenn der Pflegedienst hier unterstützend tätig wird.

Wie in der aktivierenden Pflege ist es wichtig, nur im Ausnahmefall und stets nur behelfsmäßig und (gedacht) vorübergehend Tätigkeiten für den Bewohner bzw. die Angehörigen zu übernehmen. Ziel ist stets die Stärkung der Ressourcen der betroffenen. Das heißt hier: Die Mieter zu ermuntern und zu befähigen, Aufgaben selbst zu übernehmen und zur Seite zu treten, wann immer sie beginnen, Bereitschaft dazu zu zeigen.

Diese Unterstützung der Angehörigen kann bereits bei der demenzgerechten Einrichtung und der Bildung eines Angehörigengremiums beginnen: Durch eigene Beratung oder durch Vermittlung von Informationen und Adressen von Beratungsstellen. Erfahrene Pflegedienste wissen um die Herausforderung, die diese Situation in sich birgt. Es bedarf ständiger professioneller Selbstkontrolle, um nicht aus routinierter Fürsorge und dem Gefühl der eigenen Expertise heraus die Rolle der Angehörigen oder auch die des Vermieters nach und nach in wachsendem Umfang  auszufüllen.

Der gesetzliche Teil: Was gilt in Berlin und was im Rest der Republik?

Gesetzliche Definition

Ambulant betreute Wohngemeinschaften werden von den einzelnen Bundesländern unterschiedlich definiert. Viele unterscheiden zwischen trägerbestimmten Wohngemeinschaften, die im Wesentlichen die Auflagen für stationäre Einrichtungen erfüllen müssen, und selbstbestimmten Wohngemeinschaften. Unabhängig von den länderspezifischen Unterschieden der Definition lässt sich sagen, dass sich das Kriterium der Trennung von Miete und Pflege als zentral herausgebildet hat: Kündigt ein Bewohner seinem Pflegedienst, darf dies für ihn nicht zur Kündigung des Wohnraums führen.

Die exakte Definition einer „Betreuten Wohngemeinschaft“ für das Land Berlin findet sich in §4 des Wohnteilhabegesetztes (WTG), veröffentlicht u.a. auf der Website der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. Eine Übersicht über die Wohnteilhabegesetze aller Bundesländer ist unter anderem auf der Website der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA) zu finden.

Erste Schritte und Unterstützung der FAW bei der Initiierung einer WG

Die FAW bietet Pflegediensten eine kostenlose Erstberatung rund um das Thema Wohnen und Miete im Rahmen einer WG. Wenn Sie sich dafür entscheiden, mit der FAW als Verwalterin zusammenzuarbeiten, dann

  • unterstützen wir Sie bei der Suche nach geeignetem Wohnraum.

  • beraten Sie zur Durchführung und Finanzierung von Umbaumaßnahmen und beantragen diese beim Eigentümer.

  • berechnen wir die Gemeinschaftsflächen und ihre anteilige Verteilung auf die Bewohnerzimmer.

  • verwalten wir die Wohnung.

Passenden Wohnraum finden

Auch Menschen mit Demenz haben unterschiedliche Bedürfnisse und einen unterschiedlichen Geschmack im Hinblick auf ihr Wohnen. Dennoch lassen sich einige Kriterien festmachen, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben feststehen oder die sich durch wissenschaftliche Forschung und pflegerische Erfahrung als förderlich für Menschen mit Demenz erwiesen haben. Die Anzahl der Mieter (und damit die Anzahl der Bewohnerzimmer) ist im WTG auf mindestens 3 und höchstens 12 festgelegt. 

Die Bewohnerzimmer sollten eine Größe von mindestens 12 bis 16 m² haben. Sie sollten so gestaltet sein, dass – vor allem in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung – Raum für ein von allen Seiten zugängliches Pflegebett vorhanden ist. Solange die Bewohner noch mobil sind, sollte Platz für eine kleine Sitzecke vorhanden sein. Pro Bewohner sollten mindestens 30 m² Fläche zur Verfügung stehen, wobei sich diese Zahl etwa hälftig aus der Größe des eigenen Zimmers und der anteiligen Gemeinschaftsfläche zusammensetzt. Pro 3 bis 4 Mieter sollte ein Bad vorhanden sein.

Die Wohnung soll Platz für Gemeinschaft und für Rückzug bieten. Sie soll Teilhabe an den häuslichen Aktivitäten ermöglichen. Idealerweise verfügt sie über eine große (Wohn-)küche, die genügend Raum bietet, mehreren Bewohnern mit und ohne Rollstuhl die Anwesenheit oder Mithilfe bei der Zubereitung der Mahlzeiten zu gestatten. Idealerweise besteht Sichtverbindung zwischen Küche und Essbereich. Ein geräumiges Gemeinschaftszimmer sollte genügend Sitzgelegenheiten bieten, um gemeinsam in großer oder auch in kleiner Runde beisammen zu sitzen. Sinnvoll ist ein Wirtschafts- und/oder Abstellraum, z. B. für Pflegematerialien.

Die Lage der Wohnung

Die Wohnung sollte genügend Möglichkeit zu Bewegung und Zugang ins Freie bieten. Ein Balkon, Garten oder Innenhof oder eine nahe gelegene Grünanlage sind anzuraten.

Bei der Lage des Objekts kommt es auf die individuellen Präferenzen an: Einiges spricht für eine vorwiegend sichere, barrierearme Umgebung. Diese wird in der Regel jedoch etwas abgeschiedener sein. Legt man stärkeren Wert auf ein lebendigeres Umfeld und eine stärkere Öffnung ins Quartier, werden vermutlich Kompromisse bei der Seniorengerechtigkeit nötig sein. Wesentlich ist es jedoch, dass die Wohngemeinschaft mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar und infrastrukturell gut angebunden ist. Kurze Wege zu medizinischer Versorgung, Einkaufsmöglichkeiten, Cafés und dergleichen sind außerdem sinnvoll.

Wesentlich ist, dass die Wohnung entweder im Erdgeschoss gelegen ist oder über einen rollstuhlgerechten Aufzug verfügt.

Bauliche Anpassungen

Um die Mobilität der Bewohnerinnen zu gewährleisten, sind häufig Anpassungen notwendig: die Türen müssen breit genug für die Nutzung mit einem Rollstuhl sein (90 cm), Türschwellen müssen möglicherweise entfernt und sanitäre Anlagen zugänglich gestaltet werden.

Die FAW bietet Beratung an, welche Umbauten nötig  sind und wie diese Maßnahmen finanziert werden können. Weiterhin übernehmen wir gerne die Verhandlung dieser Umbauten mit den Eigentümern. Beratungsstellen zur Finanzierung finden Sie auch in unserer unten stehenden Linkliste.

Soweit sie nicht vom Eigentümer auf eigene Kosten unternommen werden, gehören Umbaumaßnahmen zum Aufgabenbereich der NutzerInnen und werden in der Regel auch von diesen – über die individuellen Zuschüsse der Pflegekassen für Wohnungsanpassung) – finanziert. Dem entsprechend sollte seitens des Pflegedienstes eine möglichst aktive Beteiligung seitens der Angehörigen und Betreuer angestrebt werden.

Einrichtung und Gestaltung der Wohngemeinschaft

Die Wohngemeinschaft ist privater Wohnraum. Nur deshalb bleibt er von den Auflagen für stationäre Einrichtungen verschont und bietet die Chance, anheimelnd und persönlich gestaltet zu werden. Die Einrichtung und Gestaltung sowohl von Gemeinschaftsräumen als auch der Bewohnerzimmer fällt komplett in die Zuständigkeit der Nutzerinnen. Ihr Stil, ihre Erinnerungen und ihre Gewohnheiten sollen sich in der Wohnung wiederspiegeln.

Auch wenn die Mehrheit der aktuellen Bewohner gesetzliche Betreuer hat, die diese Aufgabe gerne delegieren: Das Ziel ist stets, die Angehörigen und Betreuer zu beraten, zu aktivieren und zur Übernahme dieser Verantwortung zu ermuntern. Wenn Angehörige und Betreuer nicht die Möglichkeit haben, sich selbst um die Einrichtung der Gemeinschaftsräume zu kümmern, sollten die Entscheidungen zumindest in enger Absprache mit diesen getroffen werden.

Angehörige können dieser Aufgabe besser nachkommen und sind auch für den Pflegedienst besser ansprechbar, wenn sie ein Angehörigengremium gründen, um eine schriftliche Gemeinschaftsvereinbarung  abzuschließen. Hier kann zum Beispiel festgelegt werden, ob und wie viel Geld für Renovierungsarbeiten, Reparaturen oder Neuanschaffungen zur Seite gelegt wird.

Rat und Unterstützung

Auch für eine demenzfreundliche und orientierungsfördernde Einrichtung der Wohnung und der Bewohnerzimmer benötigen Angehörige und Betreuer in der Regel Rat und Unterstützung. Sinnvoll ist es, im Pflegedienst eine Person mit vertieften Kenntnissen in diesem Bereich zu haben. Zumindest jedoch sollte Kontakt zu kompetenten Beratungsstellen bestehen, an die Angehörigen weiterempfohlen werden können.

Meldepflichten

Nach §14 WTG sind Wohngemeinschaften für pflegebedürftige Menschen innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Pflege- und Betreuungsleistungen durch den Leistungserbringer beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin zu melden. Pflichtangaben sind die Anschrift der WG, die Anzahl der pflegebedürftigen und der nicht pflegebedürftigen Nutzer, Art bzw. Zielgruppen der Wohngemeinschaft, Name und Anschrift des meldenden Leistungserbringers und der Zeitpunkt, zu dem die Pflege- und Betreuungsleistungen begonnen haben. Diese Meldung ist auch aus Brandschutzgründen notwendig.