Coworking in Berlin: nur ein Hype?

Coworking in Berlin: nur ein Hype?


Büro
31.07.2019 Autor/en: Alexander Fieback und Lina Wegener

Ob im Szenekiez oder prestigeträchtiger Citylage: Momentan sprießen Coworking Spaces – oder besser gesagt „Flexible Workspaces“ – wie Pilze aus dem Boden. Das hat viel mit der stark gewachsenen Start-up-Szene zu tun. Aber nicht nur. Im Marktbericht für die Berliner Sparkasse haben wir gefragt: Bleibt es nur ein Hype?

In Berlin als deutscher Start-up-Hauptstadt haben sich zahlreiche Coworking-Anbieter angesiedelt. Deren Zielgruppe sind schon längst nicht mehr nur Start-ups. Auch große Unternehmen zieht es immer häufiger in die vermeintlich innovativen Arbeitsorte. Die Vorteile wie flexible Vertragslaufzeiten, ein umfangreiches Serviceangebot und die Nähe zu jungen, innovativen Firmen scheinen attraktiver als eine eigene Büroflächenanmietung. Die enorme Flächenknappheit und steigende Mietpreise auf dem Berliner Büroimmobilienmarkt verstärken dieses Phänomen noch.

Handelt es sich bei der zunehmenden Anzahl an Coworking-Anbietern nur um einen Hype auf dem Berliner Büroimmobilienmarkt? Oder befinden wir uns mitten in einem tiefgreifenden Strukturwandel? Klar ist: Der Aufschwung bei den Berliner Digitalunternehmen steht in unmittelbarer Verbindung zum Aufblühen der zahlreichen Coworking-Standorte.

In diesem Coworking Space arbeiten noch verschiedene Freiberufler unter einem Dach. Heute mieten oft etablierte Unternehmen kurzfristig "Flexible Workspaces"

Statt Coworking dominieren heute Hybridmodelle

Coworking war lange Zeit ein Synonym für jung, innovativ, trendig und flexibel. Wer als junges Start-up einen Schreibtisch brauchte, mietete sich quasi automatisch in einem Coworking-Space ein. Das hat sich geändert. Heute dominieren große Konzerne diese Art von flexiblen Arbeitsplätzen. Der Begriff Coworking passt hier eigentlich nicht mehr, da diese „Flexible Workspaces“ weniger mit Kooperation zu haben, als schlichtweg kurzfristig und flexibel anmietbare Arbeitsplätze sind.

Drei Betriebsformen, die sich in grundlegenden Merkmalen stark voneinander unterscheiden, werden im Folgenden kurz erläutert.

Businesscenter

Businesscenter sind die klassischen Vertreter der „Flexible Workspaces“. Sie existieren bereits seit den 1980er-Jahren und gehören damit bereits zu etablierten Playern auf dem Büroimmobilienmarkt. Sie werden professionell betrieben und haben ein ebenso professionelles Büromanagement. Vermietet werden hauptsächlich Privat- und Teambüros, sodass die Privatsphäre der Unternehmen gewahrt wird.

Coworking Spaces

Die ursprünglichen Coworking Spaces ergänzen die globalen Büroimmobilienmärkte erst seit Kurzem. Erst 2005 entstanden die ersten im kalifornischen Silicon Valley durch Freiberufler aus den Bereichen IT, Medien und Werbung. Eines der ältesten und wohl bekanntesten ist das betahaus in Berlin-Kreuzberg. Hier arbeiten junge Kreative, meist Start-ups, in den sogenannten Open Spaces. Dabei handelt es sich zumeist um einen großen Raum mit zahlreichen Schreibtischen. Nach dem Hot-Desk-Prinzip werden die Arbeitsplätze flexibel vergeben, feste Arbeitsplätze finden sich hier meistens nicht. In Gemeinschaftsräumen soll das Netzwerken sowie die Kollaboration der Firmen und Freiberufler untereinander gefördert werden. Der Gemeinschaftscharakter steht im Vordergrund.

Hybridmodelle

Aufgrund des Coworking-Trends und der anhaltend sehr hohen Nachfrage nach flexiblen Büroeinheiten entstanden nur wenige Jahre nach der Markteinführung von Coworking Spaces die ersten Hybridmodelle. Diese haben professionelle Betreiberkonzepte wie Businesscenter und kombinieren diese mit dem Charme der ursprünglichen Coworking Spaces. So werden neben kleinen Open Spaces hauptsächlich Einzel- und Teambüros angeboten, die auch etablierten Unternehmen die gewünschte Privatsphäre bieten. Gemeinschaftsflächen und organisierte Aktivitäten gehören ebenfalls zum Angebot für die Mitglieder. Zu den bekanntesten Hybridmodellen zählen derzeit WeWork, Rent24 und Design Offices sowie unter anderem der Regus Ableger HQ.

Insbesondere die Hybridmodelle haben den Berliner Büroimmobilienmarkt stark mitgeprägt, in den letzten Jahren vor allem aufgrund ihres kometenhaften Aufstiegs und ihrer extrem hohen Nachfrage nach Flächen. Dies spiegelt sich in den Berliner Flächenumsätzen wider.

Warum Berlin Europas Nr. 2 ist

In Berlin kamen in den letzten Jahren gleich mehrere Dinge zusammen: der generelle konjunkturelle Aufschwung, die sich vertiefende Digitalisierung sowie ein gesellschaftlicher Wandel, der neue Lebens- und Arbeitsformen hervorbrachte. Zusammen mit dem Image als weltoffene und bezahlbare Großstadt hat sich Berlin zum zweitgrößten europäischen Anbieter dieser „Flexible Workspaces“ entwickelt. Nur London bietet in Europa momentan mehr Flächen dieser Art. Derzeit gibt es in der deutschen Hauptstadt mehr als 100 Orte, an denen flexibles Arbeiten möglich ist.

Das hat auch mit dem Aufstieg der Digitalunternehmen zu tun. In keiner anderen deutschen Stadt nehmen Digitals so einen großen Stellenwert ein. In den letzten fünf Jahren wurde durchschnittlich jeweils mehr als ein Viertel der Berliner Büroflächen an diesen Unternehmenstyp vermietet. Mit einer Abschwächung des Phänomens ist nicht zu rechnen, da diese Entwicklung in weite Bereiche der Wirtschaft ausstrahlt.

Allerdings schien sich die starke Korrelation zwischen Digitals und Flexible Workspaces 2018 zu relativieren. Dies ist auch mit der verstärkten Relevanz von etablierten Unternehmen für flexible Büroflächen zu begründen. So hat sich beispielsweise auch die Berliner Sparkasse, Auftraggeber des Marktberichts, als etabliertes Kreditinstitut in ein „Flexible Workspace“ eingemietet mit dem Ziel, durch flexible Arbeitsorte die klassische Arbeitswelt zu ergänzen.

Durch „Flexible Workspaces“ und Digitals* generierter Flächenumsatz (2009–2018)

Digitalunternehmen haben deutlich andere Präferenzen, was Standort und Arbeitsumgebung angeht. Sie bevorzugen generell urbane Lagen in Wohnquartieren abseits der klassischen Bürostandorte. Coworking-Flächen spielen dabei eine wichtige Rolle. Heute werden rund 1,2 % des Berliner Büroflächenbestandes durch die „Flexible Workspaces“ belegt. Ein Zukunftsbild zeichnen die US-amerikanischen Großstädte und London. Hier werden immerhin bereits bis zu 4 % des Bürobestandes durch Anbieter von flexiblen Arbeitsplätzen gehalten. Dies ist eine Entwicklung, die auch für Berlin durchaus realistisch erscheint.

Fazit: Fast nichts spricht gegen weiteres Wachstum

Aller Voraussicht nach wird insbesondere im Berliner Büromarkt die Bedeutung der Anbieter von „Flexible Workspaces“ weiter zunehmen. Einzig die extrem niedrige Leerstandsrate verhindert momentan ein noch stärkeres Flächenwachstum – ausgerechnet. Denn auf der anderen Seite sind es gerade Flächenengpässe, die für den starken Zulauf sorgen.

Durch den Flächenmangel werden „Flexible Workspaces“ kurz- bis mittelfristig wohl zum festen Bestandteil der Immobilienstrategie größerer Unternehmen. Professionelle Betreiber flexibler Büroflächen zieht es in die zentralen Citylagen mit räumlicher Nähe zu großen Unternehmen oder auch in die „echten“ Kieze.

Darüber hinaus handelt es sich bei „Flexible Workspaces“ um ein attraktives Geschäftsmodell. Wir gehen davon aus, dass zukünftig Immobilieninvestoren, Hotel- und Gastronomieunternehmen, wie auch schon das St. Oberholz, ebenfalls an diesem Markt partizipieren wollen. Denn die Eintrittsbarriere ist extrem gering und die passenden Flächen besitzen sie bereits. Den großen Hybridanbietern wie WeWork und Rent24 kommen zudem die positiven Skaleneffekte zugute. Neben den größeren sozialen Netzwerken, die diese Anbieter aufweisen, können Nutzer häufig Standorte auf der ganzen Welt besuchen – ein Vorteil für digitale Nomaden und international agierende Beschäftigte.

Zu kleineren Marktbereinigungen kann es insbesondere bei Änderungen der äußeren Rahmenbedingungen kommen. Große Flächenanbieter werden davon allerdings nur wenig betroffen sein und auch kleine Anbieter flexibler Arbeitsplätze werden bestehen bleiben – insbesondere dann, wenn sie einen hohen Grad an Spezialisierung aufweisen. Der Aufstieg der flexiblen Büroflächenanbieter scheint daher kaum aufzuhalten, viel zu sehr entsprechen sie dem aktuellen technologischen und gesellschaftlichen Wandel. Das Phänomen der „Flexible Workspaces“ hat den Berliner Büroimmobilienmarkt ergänzt und für einen nachhaltigen Wandel gesorgt.

 

Hinweis: Den gesamten Marktbericht 01/2019 „Hip – hipper – Coworking“ können Sie hier herunterladen.

Ansprechpartner: Alexander Fieback, Projektleiter Büromarkt Berlin bei bulwiengesa, fieback [at] bulwiengesa.de