Der Drogeriemarkt-Boom
Der Drogeriemarkt-Boom
Die meisten haben es längst beobachtet: Drogeriemärkte weiten Verkaufsfläche und Sortiment aus. Heute bräuchte es für einen einzigen dm oder Rossmann die Fläche von gleich vier Schlecker-Läden. Doch ab 800 Quadratmetern wird es für Entwickler kompliziert – der Planungsprozess für großflächigen Einzelhandel ist aufwändiger. Zeit, den deutschen Drogerie-Markt mal genauer zu analysieren.
Wer damit zu tun hat, kann ein Lied davon singen: Großflächiger Einzelhandel unterliegt besonderen Bestimmungen im Baurecht. Kompliziert wird es meist aber auch dann, wenn der Drogeriemarkt selbst zwar noch kleinflächig ist, jedoch Bestandteil eines großflächigen Verbundstandortes werden soll. Viele Projektentwickler haben uns in letzter Zeit mit detaillierten Analysen für ihre Drogeriemarkt-Projekte beauftragt. Denn wer großflächigen Einzelhandel plant, muss ein detailliertes Gutachten nachweisen. Dieses wird Teil des Planungsprozesses und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Nachdem sich der Trend im Drogeriemarkt-Sektor allerorten manifestiert, haben unsere Einzelhandelsanalysten auf Grundlage der bulwiengesa-Objektdatenbank umfangreiche Auswertungen vorgenommen und beispielsweise die Pro-Kopf-Ausstattung mit Verkaufsflächen aufbereitet, die Marktanteile und die Verteilung in Deutschland. Die Ergebnisse stellen wir erstmals in diesem Blog vor.
Unter den Bundesländern am besten versorgt: Stadtstaat Hamburg
Die Pro-Kopf-Verkaufsflächenausstattung ist ein verbreiteter Erstindikator, um die Wettbewerbsintensität überschlägig einzuschätzen. In der Nahversorgung kann er zuverlässig anhand der Netzdichte der einschlägigen Lebensmittelmärkte gebildet werden. Bis jetzt finden haben die stark expansiven Drogeriemärkte allerdings weniger Beachtung gefunden. Diese konnten sich in den letzten Jahren sukzessive auch in der Fläche ausbreiten und weisen in ihrem Sortiment merkliche Überschneidungen zu Lebensmittelmärkten auf. Das scheint sich zu lohnen, wie die Abbildung links zeigt: Das Verhältnis von Verkaufsfläche zu Umsatz stimmt.
Gegenwärtig sind in Deutschland rund 3,1 Mio. qm Verkaufsfläche für Drogeriemärkte am Markt. Dies entspricht rund 0,04 qm je Einwohner (einschließlich der Flächen für Nonfood-Randsortimente). Die regionalen Unterschiede sind groß: Sie reichen von nur etwas über 0,03 qm/Einwohner in den ostdeutschen Flächenländern bis hin zu etwa 0,05 qm/Einwohner in den touristisch geprägten Bundesländern Schleswig-Holstein und Bayern sowie den Stadtstaaten Bremen und Hamburg. Hamburg weist mit 0,05 qm/Einwohner die höchste Flächenausstattung aller Bundesländer bei Drogeriemärkten auf. Andererseits hat Hamburg bei der Verkaufsflächendichte von Lebensmittelmärkten, die größer sind als 400 qm, auf Grund knapper und teurer Flächen eine der niedrigsten Dichtekennziffern. Warum also liegt Hamburg ausgerechnet bei Drogeriemärkten vorn?
Diese Asymmetrie geht letztendlich auf die starke regionale Marktstellung der viertgrößten Drogeriemarktkette Budnikowsky zurück, deren Verbreitung bisher auf die Metrolpolregion Hamburg beschränkt ist. Allein in Hamburg werden derzeit rund 120 Budni-Märkte betrieben. Nach der Insolvenz der Schlecker-Gruppe verlor zwar auch Hamburg viele kleinere Drogeriemärkte; jedoch trat mit dm ein neuer Wettbewerber auf den Plan und expandiert dort mittlerweile mit Nachdruck. Hamburg zählt damit zu den wenigen Regionen, in denen drei Drogeriemarktbetreiber ein dichtes Filialnetz unterhalten bzw. anstreben.
Der Kampf um Standorte und Marktanteile führt dabei auch zu der einen oder anderen Doublettenbildung, um den Wettbewerber aus dem eigenen Nahbereich zu halten. Nachdem Budnikowsky und Edeka jüngst das Gemeinschaftsunternehmen BUDNI Handels- und Service GmbH & CO. KG launchten und eine grundsätzlich bundesweite Expansion mit etwa zehn Eröffnungen pro Jahr ankündigten, könnte auch in anderen Regionen die Wettbewerbsdichte zunehmen. Als wahrscheinlichster Standort für einen Markteintritt außerhalb der Region Hamburg gilt derzeit Berlin, dessen Ausstattung mit Drogeriemärkten zudem noch vergleichsweise niedrig ist.
Große Drogeriemärkte benötigen fast 20.000 Einwohner
Der in Hamburg erreichte Maximalwert der Verkaufsflächenausstattung für Drogeriemärkte lässt sich als Benchmark für eine noch ausreichende tragfähige Wettbewerbsdichte vermutlich nicht ohne weiteres auf alle Bundesländer übertragen. Zeitgemäße Drogeriemärkte in einer Dimensionierung von 600 bis 800 qm VKF (Verkaufsfläche) benötigen ein Einzugsgebiet von etwa 15.000, zunehmend bis 20.000 Einwohner. Vor allem in dünn besiedelten ländlichen Regionen sind selbst viele Zentralorte nicht ausreichend tragfähig für einen Drogeriemarkt. Die Hoffnung vieler Bürgermeister nach Schließung der durch die Schlecker-Insolvenz entstandenen Angebotslücken blieb bisher unerfüllt. Expansive 200 bis 400 qm-Formate sind nicht am Markt. Drogeriemärkte konzentrieren sich deshalb in den mittleren und größeren Städten, was insbesondere in ländlichen Regionen Bayerns gut ablesbar ist.
Mittel- und Oberzentren sind mit ihren größeren Fachmarkt- und Nahversorgungszentren neben Innenstadtlagen und größeren Bezirkszentren die bevorzugten Standorte von Drogeriemärkten. Deren Flächenbedarfe matchen sich häufig mit den Verkaufsflächen älterer Lebensmitteldiscounter <800 qm Verkaufsfläche, die derzeit verstärkt durch modernere und größere Einheiten abgelöst werden. Drogeriemärkte sind hierfür – sofern das Baurecht es zulässt und die Zentralität des Standortes stimmt – eine attraktive Nachnutzungsoption.
Karte zeigt Flächenausstattungen
Die Karte verdeutlicht die hohen Flächenausstattungen in den kreisfreien Städten bzw. Zentren bei niedrigen Dichtewerten des Umlandes. Gleichzeitig lassen sich die hohen Flächenausstattungen der touristischen bzw. kaufkraftstarken Bundesländer und den niedrigen Kennziffern im Osten der Republik auch auf Kreisebene wiederfinden.
Ranking
Die TOP-10-Kreise mit der höchsten Verkaufsflächendichte bei Drogeriemärkten in Deutschland sind ausschließlich kreisfreie Städte – das jeweilige Umland hat dagegen meist einen geringen Ausstattungsgrad. Die Zentralität dieser Städte ist hoch und zuweilen kommen wie in Flensburg mit seinen zahlreichen dänischen Kunden noch Sondereffekte hinzu.
1. Straubing
2. Flensburg
3. Weiden (Oberpfalz)
4. Schweinfurt
5. Aschaffenburg
6. Pirmasens
7. Hof
8. Passau
9. Ansbach
10. Ingolstadt
Bei den zehn Kreisen mit der geringsten Flächenausstattung in Deutschland dominieren dagegen großflächige Kreise in tendenziell ländlichen Regionen:
401. Bayreuth (LK)
400. Ostallgäu
399. Greiz
398. Südwestpfalz
397. Wartburgkreis
396. Bautzen
395. Sömmerda
394. Trier-Saarburg
393. Bernkastel-Wittlich
392. Oldenburg (LK)
Ansprechpartner: Andreas Gustafsson, Bereichsleiter Einzelhandel bei bulwiengesa, gustafsson [at] bulwiengesa.de und Robert Junger, Studienleiter Einzelhandel, junger [at] bulwiengesa.de