Die nächste Dekade gehört den Centermanagern

Die nächste Dekade gehört den Centermanagern


Einzelhandel
31.05.2017 Autor/en: Ralf-Peter Koschny

Neue Shoppingcenter werden kaum mehr entwickelt. Umso mehr ist qualifiziertes Centermanagement gefragt, das eng mit den Mietern zusammenarbeitet und Kundenwünsche antizipiert. Die Branche ist im Umbruch

In den ver­gan­ge­nen zwei Jahr­zehn­ten hat sich die An­zahl der Shop­pingcen­ter in Deutsch­land gemäß EHI von rund 180 im Jahr 1995 auf gut 460 im Jahr 2015 er­höht. Doch in den letz­ten Jah­ren entwickelten sich die Zuwachsraten stark rück­läu­fig, die Sät­ti­gungs­gren­ze scheint nä­her zu rücken. Das Gebot der Stunde heißt Bestandspflege. Viele Unternehmen haben sich längst umstrukturiert und ihre Entwicklungs- und Vermietungsabteilungen verkleinert. Stattdessen sind Centermanager gefragt, die umfangreiche Marktforschung betreiben, Social-Media-Kanäle pflegen und enge Partner ihrer Mieter sind. 

Diese neue Phase kann als „Center- und Assetmanagement-getriebene Phase“ bezeichnet werden – im Unterschied zur bisherigen, vom Development gekennzeichneten Phase. Die Assetmanager als Vertreter der Eigentümer können sich nicht mehr zurücklehnen. Sie werden sich zunehmend kooperativ mit dem Centermanagement um das Wohl der Mieter und Kunden kümmern und sich mit dem  Handwerkszeug der Centermanager auseinandersetzen müssen.

Wettbewerb zwischen Centern und Städten

Denn der Wett­be­werbs­druck zwi­schen den ein­zel­nen Cen­tern und Städ­ten hat sich erhöht, was nicht zuletzt ein Ergebnis dieser von Projektakquisition gekennzeichneten Phase ist; dies führte zu ei­ner Ein­däm­mung der Neu­ent­wick­lungen von Ein­kaufs­zen­tren. Dazu führten allerdings auch an­de­re Grün­de wie ei­ne rest­rik­ti­ve­re Aus­le­gung des Pla­nungs­rechts oder der zu­neh­men­de On­li­ne-Han­del.

Nun ist also Rück­be­sin­nung auf be­reits bes­te­hen­de, etab­lier­te Ein­kaufs­zen­tren angesagt. Denn die­se ver­fü­gen oft­mals über eine über Jah­re bzw. Jahr­zehn­te ge­wach­se­ne Markt­po­si­ti­on mit in­ten­si­ver Stamm­kun­den­be­zie­hung und ver­gleichs­wei­se ver­läss­li­chen Ein­zel­han­dels­um­sät­zen. Häufig sind je­doch die­se Ob­jek­te in die Jah­re ge­kom­men und ent­spre­chen we­der vom Ein­zel­han­dels­mie­ter- und An­ge­bots­mix noch von Ge­stal­tung oder Ser­vi­ce­an­ge­bo­ten her den gegenwärtigen Kun­den­an­for­de­run­gen.

Ge­nau hier setzten im Ver­lauf der letz­ten gut fünf Jah­re Cen­ter- und As­set­ma­na­ge­ment an und kümmerten sich zu­neh­mend um Po­si­ti­o­nie­rung, Pro­fi­lie­rung und Mar­ken­bil­dung der Ein­kaufs­zen­tren. Dabei geht es da­rum, das je­wei­li­ge Cen­ter bes­ser auf die Be­dar­fe sei­ner Ziel­grup­pen aus­zu­rich­ten und sei­ne Kern­kom­pe­tenz he­raus­zu­stel­len, um sich stär­ker vom Wett­be­werb ab­zu­gren­zen. Dem Kun­den wird klar ver­mit­telt, was ihn im Cen­ter er­war­tet – und was nicht. Dazu braucht es profunde Kenntnisse der Endkun­den und Mie­ter.

Centermanager leisten Kärrnerarbeit

Die tägliche Arbeit der Cen­ter- und As­set­ma­na­ger ist, man muss es so sagen, Kärrnerarbeit. Sie wenden In­stru­men­te an, die in der Ver­gan­gen­heit schon fast in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten sind, aber kenn­zeich­nend für die der­zei­ti­ge Cen­ter- und As­set­ma­na­ge­ment­-ge­trie­be­ne Pha­se sind.

Die Tools der Assetmanagement-getriebenen Phase:

  • Verstärkung von Re­search-Ak­ti­vi­tä­ten von und für Ein­kaufs­zen­tren
  • Pri­mär­markt­for­schung, z. B. Kun­den­ana­ly­sen, Lauf- und Fre­quenz­analysen, Ein­kaufs­ana­ly­sen
  • Per­ma­nen­te Markt­for­schung als Früh­warn­sys­tem, z. B.  Kun­den­zähl­an­la­gen, Aus­wer­tun­gen der Park­haus­­nut­zung, Webcontrolling
  • An­wen­dung di­gi­ta­ler Diens­te wie Beacons und Free WiFi im Cen­ter, Be­treu­ung der So­ci­al-Me­dia-Diens­te, Pflege von Ho­me­pa­ge und Blogs
  • Ben­chmar­k- und Mie­ter­zu­frie­den­heits­ana­ly­sen
  • (Neu)-Ge­stal­tung zur Er­hö­hung der Auf­ent­halts­qua­li­tät
  • In­teg­ra­ti­on ei­nes viel­fäl­ti­gen Gast­ro­no­mie­an­ge­bots
  • An­ge­bot neu­er Kun­den­dienst­leis­tun­gen wie Gar­de­ro­ben- oder Ge­päck­ser­vice, Spiel­be­reich, zentraler Click & Col­lect-Ab­hol­punkt

Akt­uell befindet sich das Gros der Shop­pingcen­ter und Fach­markt­zen­tren, deren Situation ähnlich ist, noch im An­fangs­sta­di­um die­ser Pha­se.

Minto-Konzept – vom Hotelwesen inspiriert

Ein Bei­spiel für die­se jün­ge­re Pha­se ist das 2015 in Mön­chenglad­bach er­öff­ne­te Min­to Shop­pingcen­ter. Der Betreiber des Minto ist Uni­bail-Ro­dam­co, die hier das sogenannte 4-Ster­ne-Kon­zept anwenden – vom Hotelwesen inspiriert wurde für Shop­pingcen­ter ein Maß­nah­men­ka­ta­log entwickelt, der re­gel­mä­ßig durch ein ex­ter­nes In­sti­tut über­prüft wird. Ne­ben ge­stal­te­ri­schen wer­den ins­be­son­de­re kun­den­be­zo­ge­ne Kri­te­ri­en wie Be­ra­tungs­leis­tun­gen, Ser­vi­ce und Er­leb­nis­ori­en­tie­rung bewertet. Der Kunde wird gedanklich bei jedem Schritt begleitet, alle Maß­nah­men sol­len Ein­kauf und Auf­ent­halt so be­quem wie mög­lich ge­stal­ten. Ohne kooperativen Umgang von Cen­ter- und As­set­ma­na­ge­ment und Mie­tern geht das nicht.

Aber auch ältere Center können die­se Leis­tungs­ver­spre­chen einlösen. Das Alstertal Einkaufszentrum in Hamburg wurde 1970 er­öff­ne­t und zeigt ein­drucks­voll, dass ein ak­ti­ves Cen­ter- und As­set­ma­na­ge­ment so­wohl hin­sicht­lich sei­nes Mie­ter- und Bran­chen­mi­xes als auch sei­ner Kun­den­ser­vi­ces im­mer auf dem ak­tu­ells­ten Stand sein kann.

In Zukunft wer­den neue, weitrei­chen­de An­for­de­run­gen an das Cen­ter- und As­set­ma­na­ge­ment ge­stellt werden, um die in Shop­pingcen­tern und Fach­markt­zen­tren ge­bun­de­nen In­ves­ti­ti­o­nen durch sta­bi­le Mie­ten zu ver­zin­sen. Das ge­lingt, wenn die von den Endkunden an das Ob­jekt ge­stell­ten Er­war­tun­gen treff­lich er­füllt werden – und zugleich die von den Mie­tern an das Ob­jekt ge­stell­ten Um­satz­er­war­tungen hin­rei­chend gut. Denn letzt­lich mie­tet der Ein­zel­händler kei­ne Flä­che, son­dern eine Um­satz­er­war­tung. Die künftige wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung der Shop­ping- und Fach­marktcen­ter wird von den Fä­hig­kei­ten des Cen­ter- und As­set­ma­na­ge­ments ab­hän­gen, das Cen­ter auf die Kun­den­be­dürf­nis­se ab­zustim­men und als Mar­ke im lo­ka­len Markt zu etab­lie­ren.

 

Der Text war Grundlage eines Artikels für Polis, Magazin für Urban Development.

Autor: Ralf-Peter Koschny, Sprecher des Vorstandes der bulwiengesa AG und verantwortlich für das Fachgebiet Einzelhandel sowie Mitglied der Counselors of Real Estate (CRE). Kontakt: koschny [at] bulwiengesa.de