Der Drogeriemarkt-Boom

Der Drogeriemarkt-Boom


Einzelhandel
09.03.2018 Autor/en: Andreas Gustafsson und Robert Junger
Quelle: TradeDimensions 2018; Berechnungen: bulwiengesa
Quelle: TradeDimensions 2018; Berechnungen: bulwiengesa

Unter den Bundesländern am besten versorgt: Stadtstaat Hamburg

Die Pro-Kopf-Ver­kaufs­flä­chen­aus­stat­tung ist ein ver­brei­te­ter Erst­in­di­ka­tor, um die Wett­be­werbs­in­ten­si­tä­t über­schlä­gi­g einzuschätzen. In der Nah­ver­sor­gung kann er zu­ver­läs­sig an­hand der Netz­dich­te der ein­schlä­gi­gen Le­bens­mit­tel­märk­te ge­bil­det wer­den. Bis jetzt finden haben die stark ex­pan­si­ven Dro­ge­rie­märk­te allerdings weniger Beachtung gefunden. Diese konnten sich in den letz­ten Jah­ren suk­zes­si­ve auch in der Flä­che aus­brei­ten und weisen in ih­rem Sor­ti­ment merk­li­che Über­schnei­dun­gen zu Le­bens­mit­tel­märk­ten auf. Das scheint sich zu lohnen, wie die Abbildung links zeigt: Das Verhältnis von Verkaufsfläche zu Umsatz stimmt.

Ge­gen­wär­tig sind in Deutsch­land rund 3,1 Mio. qm Ver­kaufs­flä­che für Dro­ge­rie­märk­te am Markt. Dies ent­spricht rund 0,04 qm je Ein­woh­ner (ein­schließ­lich der Flä­chen für Non­food-Rand­sor­ti­men­te). Die regionalen Unterschiede sind groß: Sie reichen von nur etwas über 0,03 qm/Ein­woh­ner in den ost­deut­schen Flä­chen­län­dern bis hin zu etwa 0,05 qm/Ein­woh­ner in den tou­ris­tisch ge­präg­ten Bun­des­län­dern Schles­wig-Holstein und Bay­ern so­wie den Stadt­staa­ten Bre­men und Ham­burg. Ham­burg weist mit 0,05 qm/Ein­woh­ner die höchs­te Flä­chen­aus­statt­ung al­ler Bun­des­län­der bei Dro­ge­rie­märk­ten auf. Andererseits hat Ham­burg bei der Ver­kaufs­flä­chen­dich­te von Le­bens­mit­tel­märk­ten, die größer sind als 400 qm, auf Grund knapper und teurer Flächen eine der nied­rigs­ten Dichtekenn­zif­fern. Warum also liegt Hamburg ausgerechnet bei Drogeriemärkten vorn?

Die­se Asym­me­trie geht letzt­end­lich auf die star­ke re­gi­o­na­le Markt­stel­lung der viert­größ­ten Dro­ge­rie­markt­ket­te Bud­ni­kowsky zu­rück, de­ren Ver­brei­tung bis­her auf die Me­trol­pol­re­gi­on Ham­burg be­schränkt ist. Allein in Hamburg werden derzeit rund 120 Budni-Märkte betrieben. Nach der Insolvenz der Schlecker-Gruppe verlor zwar auch Hamburg viele kleinere Drogeriemärkte; jedoch trat mit dm ein neuer Wettbewerber auf den Plan und ex­pan­diert dort mitt­ler­wei­le mit Nach­druck. Ham­burg zählt da­mit zu den we­ni­gen Re­gi­o­nen, in de­nen drei Dro­ge­rie­markt­be­trei­ber ein dich­tes Fi­li­al­netz un­ter­hal­ten bzw. an­stre­ben.

Der Kampf um Standorte und Marktanteile führt dabei auch zu der einen oder anderen Doublettenbildung, um den Wettbewerber aus dem eigenen Nahbereich zu halten. Nach­dem Bud­ni­kowsky und Ede­ka jüngst das Ge­mein­schafts­un­ter­neh­men BUD­NI Han­dels- und Ser­vice GmbH & CO. KG launch­ten und eine grund­sätz­lich bun­des­wei­te Ex­pan­si­on mit etwa zehn Eröffnungen pro Jahr an­kün­dig­ten, könn­te auch in an­de­ren Re­gi­onen die Wett­be­werbs­dich­te zu­neh­men. Als wahr­schein­lichs­ter Stand­ort für ei­nen Markt­ein­tritt au­ßer­halb der Re­gi­on Ham­burg gilt der­zeit Ber­lin, dessen Ausstattung mit Drogeriemärkten zudem noch vergleichsweise niedrig ist.

Quelle: TradeDimensions, Stat. Bundesamt, Berechnungen bulwiengesa

Große Drogeriemärkte benötigen fast 20.000 Einwohner

Der in Ham­burg er­reich­te Ma­xi­mal­wert der Ver­kaufs­flä­chen­aus­stat­tung für Dro­ge­rie­märk­te lässt sich als Ben­chmark für eine noch aus­rei­chen­de trag­fä­hi­ge Wett­be­werbsdich­te ver­mut­lich nicht ohne wei­te­res auf alle Bun­des­län­der über­tra­gen. Zeit­ge­mä­ße Dro­ge­rie­märk­te in ei­ner Di­men­si­o­nie­rung von 600 bis 800 qm VKF (Ver­kaufs­flä­che) be­nö­ti­gen ein Ein­zugs­ge­biet von etwa 15.000, zu­neh­mend bis 20.000 Ein­woh­ner. Vor al­lem in dünn be­sie­del­ten länd­li­chen Re­gi­o­nen sind selbst vie­le Zen­tral­or­te nicht aus­rei­chend trag­fä­hig für ei­nen Dro­ge­rie­markt. Die Hoff­nung vie­ler Bür­ger­meis­ter nach Schlie­ßung der durch die Schle­cker-In­sol­venz entstan­de­nen An­ge­bots­lü­cken blieb bis­her un­er­füllt. Ex­pan­si­ve 200 bis 400 qm-For­ma­te sind nicht am Markt. Dro­ge­rie­märk­te kon­zen­trie­ren sich des­halb in den mitt­le­ren und grö­ße­ren Städ­ten, was ins­be­son­de­re in länd­li­chen Re­gi­o­nen Bay­erns gut ab­les­bar ist.

Mit­tel- und Ober­zen­tren sind mit ih­ren grö­ße­ren Fach­mark­t- und Nahversorgungs­zen­tren ne­ben In­nenstadt­la­gen und größeren Bezirkszentren die be­vor­zug­ten Stand­or­te von Dro­ge­rie­märk­ten. Deren Flächenbedarfe matchen sich häufig mit den Verkaufsflächen älterer Lebensmitteldiscounter <800 qm Verkaufsfläche, die derzeit verstärkt durch modernere und größere Einheiten abgelöst werden. Drogeriemärkte sind hierfür – sofern das Baurecht es zulässt und die Zentralität des Standortes stimmt – eine attraktive Nachnutzungsoption.

Karte zeigt Flächenausstattungen

Die Kar­te ver­deut­licht die ho­hen Flä­chen­aus­stat­tun­gen in den kreis­frei­en Städ­ten bzw. Zen­tren bei nied­ri­gen Dich­te­wer­ten des Um­lan­des. Gleich­zei­tig las­sen sich die ho­hen Flä­chen­aus­stat­tun­gen der tou­ris­ti­schen bzw. kauf­kraftst­ar­ken Bun­des­län­der und den nied­ri­gen Kenn­zif­fern im Os­ten der Re­pub­lik auch auf Kreis­ebe­ne wie­der­fin­den.

Karte

Ranking

Die TOP-10-Krei­se mit der höchs­ten Ver­kaufs­flä­chen­dich­te bei Dro­ge­rie­märk­ten in Deutsch­land sind aus­schließ­lich kreis­frei­e Städ­te – das jeweilige Umland hat dagegen meist einen ge­rin­gen Aus­stat­tungs­grad. Die Zentralität dieser Städte ist hoch und zuweilen kommen wie in Flensburg mit seinen zahlreichen dänischen Kunden noch Sondereffekte hinzu.

1. Strau­bing

2. Flens­burg

3. Wei­den (Ober­pfalz)

4. Schwein­furt

5. Aschaf­fen­burg

6. Pir­ma­sens

7. Hof

8. Pas­sau

9. Ans­bach

10. In­gols­tadt

 

Bei den zehn Kreisen mit der ge­rings­ten Flä­chen­aus­stat­tung in Deutsch­land dominieren dagegen großflächige Krei­se in tendenziell ländlichen Regionen:

401. Bay­reuth (LK)

400. Ost­all­gäu

399. Greiz

398. Süd­west­pfalz

397. Wart­burg­kreis

396. Bau­tzen

395. Söm­mer­da

394. Trier-Saar­burg

393. Bern­kas­tel-Witt­lich

392. Ol­den­burg (LK)

 

Ansprechpartner: Andreas Gustafsson, Bereichsleiter Einzelhandel bei bulwiengesa, gustafsson [at] bulwiengesa.de und Robert Junger, Studienleiter Einzelhandel, junger [at] bulwiengesa.de