Stopp, hier besser keine Sozialwohnungen!
Stopp, hier besser keine Sozialwohnungen!
Sozialwohnungen sind Mangelware in Berlin. Der Bedarf muss zügig gedeckt werden, und es ist unausweichlich, dass auch private Investoren dazu beitragen. Doch an welchen Orten sind Sozialwohnungen sinnvoll? Wann ist es besser, zugunsten einer ausgewogenen Sozialstruktur lieber darauf zu verzichten? Das Sozialentwicklungs-Scoring legt offen, wo besser keine Sozialwohnungen entstehen sollten.
Der Hintergrund: Investoren sind an die Regelungen des „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ gebunden. Dort ist die anteilige Übernahme von Kosten für soziale und technische Infrastruktur festgeschrieben, außerdem die Schaffung von Mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraum. Sobald im Geltungsbereich eines Bebauungsplans mehr als 50 Wohneinheiten realisiert werden, müssen Investoren und Projektentwickler 30 Prozent der neuen Wohnungen als förderfähigen Wohnraum mit Mietpreis- und Belegungsbindungen errichten.
In begründeten Einzelfällen kann es jedoch geboten sein, den Anteil zu verringern oder komplett darauf zu verzichten. Ein Grund ist beispielsweise eine sozial schwache Bevölkerungsstruktur im Projektumfeld. Der Bau von weiteren Sozialwohnungen in diesem Kiez würde sozial homogene Quartiere weiter begünstigen.
Veränderungen werden messbar
Die zentrale Frage nicht nur von Investoren und Projektentwicklern, sondern auch von Gewerbetreibenden und der öffentlichen Verwaltung ist daher: Welches Gebiet entwickelt sich positiv, welches eher negativ? Um Veränderungs- und Verdrängungsprozesse neutral beurteilen zu können, haben wir ein Instrument entwickelt: das Sozialentwicklungs-Scoring.
Diese systematische Analyse bewertet die aktuelle Sozialstruktur. Vor allem aber wird die Veränderung der 447 Planungsräume in Berlin abgebildet – wo hat die Zahl der Langzeitarbeitslosen zugenommen, wie hat sich der Anteil der Bezieher von Transferleitungen in einem bestimmten Kiez verändert, wohin ziehen Einwohner mit Migrationshintergrund usw.
Unsere Analysten greifen dabei auf vorhandene Daten zu. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ermittelt auf der Ebene der genannten 447 Planungsräume ausgewählte Sozialdaten. Für das Sozialentwicklungs-Scoring nutzen wir zwölf Kriterien, die in der nebenstehenden Abbildung aufgeführt sind.
Und so geht's
Wie funktioniert das Scoring? Für jeden Planungsraum wird für jedes der zwölf Kriterien das Niveau im aktuellen Jahr betrachtet sowie der Veränderungswert innerhalb der vergangenen fünf Jahre. Der beste Wert erhält 10 Punkte, der schlechteste Wert wird mit 0 Punkten bewertet. Die errechneten Punktwerte fließen mit unterschiedlicher Gewichtung in die Ermittlung des Sozialentwicklungs-Scorings ein. Die berechneten Werte liegen zwischen 200 und 800 Punkten.
Hat sich eine Kennziffer im Betrachtungszeitraum verändert, wird dem größere Bedeutung beigemessen als der Ist-Zustand. Ein Beispiel: Ziehen in einem Planungsraum wie Neukölln viele Transferempfänger weg, so sagt das mehr aus über die Veränderung eines Kiezes als etwa die gleichbleibend hohe Kaufkraft in Wilmersdorf.
Niedrigere Punktwerte in Außenbezirken
Generell sinken die Punktwerte in den Außenbezirken aufgrund der Verdrängungseffekte im Zentrum. Die günstigsten Sozialraumstrukturen haben derzeit übrigens die Planungsräume „Unter den Linden“ in Mitte und „Wendenschloss“ an der Dahme in Köpenick. Dagegen weisen beispielsweise der „Schulenburgpark“ in Neukölln und die „Hellersdorfer Promenade“ in Hellersdorf eine sozial schwache Bevölkerungsstruktur auf. Im Umfeld der beiden letztgenannten Quartiere sollte aus Sicht von bulwiengesa eher auf den Bau weiterer Sozialwohnungen verzichtet werden.
Autor: André Adami, Niederlassungsleiter Berlin, bulwiengesa, adami [at] bulwiengesa.de