Dem Zeitgeist sei Dank: Lebensmittel-Einzelhandel wächst

Dem Zeitgeist sei Dank: Lebensmittel-Einzelhandel wächst


Einzelhandel
07.11.2019 Autor/en: Dr. Joseph Frechen

Das Wachstum im Lebensmittelhandel ist ungebrochen. Nicht erst seit dem Hype um den Beyond-Meat-Burger fällt auf: Händler und Betreiber suchen gezielt nach Innovationen, um die Konsumenten weiterhin bei Laune zu halten. Für den 14. Retail Real Estate Report der Hahn Gruppe haben wir die Entwicklungen wichtiger Einzelhandelsbranchen analysiert.

Für den Zuwachs im Lebensmittelhandel sorgen zunehmend qualitativ höherwertiger Produkte, der anhaltende Trend zu Bio- und nachhaltig produzierten Lebensmitteln bzw. zu Fair Trade, veganen und regionalen Produkten sowie das stetige Wachstum im Convenience-Segment. Entsprechend werden aktuell die Themen artgerechte Tierhaltung, tierschutzgerechte Aquakultur und zertifizierte Lebensmittel von vielen Handelsunternehmen aufgegriffen und innerhalb der Sortimentspolitik berücksichtigt. Zudem rücken bei den Lebensmittelanbietern regionale Produkte immer weiter in den Vordergrund.

Das Bio-Segment hat im Lebensmittel- und Drogeriehandel ebenfalls an Umsatz und Marktanteil hinzugewinnen können. Daher wundert es nicht, dass bei den Lebensmittel- und Drogeriemarktbetreibern eine stetige Ausweitung des Bio-Segments deutlich sichtbar wird. Um sich im Wettbewerb vom Angebot der Konkurrenz zu unterscheiden und verstärkt das eigene Profil zu schärfen, sind die großen Lebensmittelhändler und Drogeriemarktbetreiber sehr gezielt auf der Suche nach neuen Produkten und Innovationen. Eine beliebte Strategie ist die frühe Markteinführung von Produkten erfolgversprechender Food-Startups. Jüngstes prominentes Beispiel ist Lidl mit dem Veggie-Burger Beyond Meat aus den USA. Auch viele deutsche Innovationen werden erfolgreich vermarktet.

Mit diesem Veggie-Burger setzte etwa Lidl auf ein äußerst erfolgreiches Food-Startup. Bereits nach wenigen Stunden war er ausverkauft

Online-Handel hat (bisher) nur geringe Bedeutung

Der Online-Handel mit Lebensmitteln/Delikatessen und Drogeriewaren nimmt weiterhin nur eine untergeordnete Rolle ein. Laut Angaben des HDE Online Monitors konnte der Online-Anteil bei Lebensmitteln und Delikatessen 2018 einen Anstieg auf lediglich 1 % verzeichnen. Im Bereich Drogeriewaren fiel das Wachstum sogar noch geringer aus. Hier stagnierte der Online-Anteil bei 1,5 %.

Obwohl das Wachstum im Online-Handel kaum vorankommt, arbeiten Betreiber wie dm, ROSSMANN, REWE und EDEKA weiter daran, ihre Online-Präsenz auszubauen. Dies geschieht ungeachtet der Tatsache, dass die Online-Kanäle zum großen Teil noch nicht vollkostendeckend betrieben werden können. Der Drogeriemarktbetreiber Müller stellt Überlegungen an, künftig ebenfalls Direktzustellung anzubieten und das bis dato bestehende Click&Collect-System zu ergänzen. Globus kämpft zwar dem Vernehmen nach mit IT-Problemen, die zu weiteren Kooperationsverzögerungen mit dem Lieferdienst Food gesorgt haben, das Online-Geschäft soll aber unverändert forciert werden.

Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit stehen im Blickpunkt

Die aktuellen Themen im Lebensmittelhandel sind Nachhaltigkeit, Vermeidung von Plastikmüll und Umweltfreundlichkeit, wobei sich diese in einem ungeahnten Facettenreichtum präsentieren. Die Entwicklung ist zum Teil als direkte Antwort des Einzelhandels auf die medienwirksamen Fridays-for-Future-Demonstrationen zu sehen. Folgerichtig erhöht sich die Kundennachfrage in Bezug auf ressourcenschonende Produktgruppen. Die Verringerung sowie vollständige Vermeidung von Verpackungs- und vor allem Plastikmüll haben sich nahezu alle Händler auf die Fahne geschrieben. Die Umsetzungskonzepte sind dabei vielschichtig. Besonders die Recyclingfähigkeit sowie der Einsatz von Recyclaten bei den Produktverpackungen gewinnen dabei zunehmend an Bedeutung. Neben den ökologischen Aspekten kommen selbstverständlich auch finanzielle Anreize des neuen Paragrafen 21 aus dem Verpackungsgesetz – Förderung von recycelbaren Verpackungen –  zum Tragen. Die Händler sind sich ihres Einflusses zunehmend bewusst und übernehmen immer mehr Verantwortung. So planen Einzelhändler wie Lidl, REWE, ALDI oder Netto bereits jetzt, Plastik-Einwegprodukte aus dem Sortiment zu nehmen, noch bevor die neue EU-Regelung zum Verbot vieler Wegwerfprodukte aus Plastik in Kraft tritt. Lidl steigt durch den Erwerb des Recyclingunternehmens Tönsmeier-Gruppe gleich selbst ins Wiederverwertungsgeschäft ein; andere Unternehmen sind ebenfalls bereits aktiv.

Smartphone-Dienste im Kommen

App-gesteuerte Treuesysteme sowie das Bezahlen mit dem Smartphone stehen beim Lebensmittelhandel generell hoch im Kurs und werden in den nächsten Jahren sukzessive weiter ausgebaut. So hat Globus eine eigene App gestartet, die gleichzeitig auch als digitale Kundenkarte genutzt werden kann. Zudem hat Globus in allen SB-Warenhäusern die Möglichkeit der Handybezahlung eingeführt und damit seine Vorreiterrolle im Mobile Payment ausgebaut. REWE zieht stetig nach und ermöglicht diesen Service bereits in immer mehr Filialen. Lidl setzt hingegen auf ein Smartphone-basiertes Kundenbindungsprogramm – Lidl Plus – und bietet dieses erst einmal in nur 250 Filialen an. Ähnlich agieren auch dm und ROSSMANN in ihrer Kundenkommunikation und bieten vermehrt mittels App besondere Angebote und Services an.

Geschäftsentwicklungen der Lebensmitteleinzelhändler 2018

Betriebstypen Drogerie- und Verbrauchermärkte expandieren

Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Anzahl der Lebensmittel- und Drogeriemärkte mit knapp 42.000 Betrieben (minus zehn Betriebe gegenüber dem Vorjahr) stabil entwickelt. Während sich das Wachstum der Drogeriemärkte sowie der Verbrauchermärkte weiter fortsetzt, hat sich die Zahl der Supermärkte und SB-Warenhäuser reduziert. Weitgehend stabil entwickelt bzw. nur marginal verringert hat sich die Anzahl der Discounter. Im Lebensmittelvollsortiment geht der Trend weiter hin zu den großflächigeren Verbrauchermärkten. Dieser Betriebstyp konnte 2018 unter den Lebensmittelmärkten das höchste Wachstum verzeichnen – plus 89 Märkte. Hier spiegelt sich vor allem die gute Entwicklung der REWE- und EDEKA-Märkte wider, die nach wie vor stark expandieren und neue Märkte eröffnen bzw. bestehende Objekte auf Verbrauchermarktgröße erweitern. Daher hat sich der Verkaufsflächenanteil dieses Betriebstyps auf nunmehr 25,8 Prozent weiter erhöht; auch der Umsatz insgesamt hat sich positiv entwickelt und gegenüber 2017 um rd. 2,1 Prozent zugelegt.

 

Hinweis: Der Text ist ein Auszug aus dem HAHN Retail Real Estate Report 2019/2020.

Ansprechpartner: Dr. Joseph Frechen, Niederlassungsleiter Hamburg und Bereichsleiter Einzelhandel bei bulwiengesa, frechen [at] bulwiengesa.de